WoW 02 - Der letzte Wächter
Wachhunde. Einige der mächtigen Magier glaubten, es sei Aufgabe des Wächters, allen anderen die Macht vorzuenthalten, die sie selbst genossen. Wie schon zu Zeiten der Kaldorei fiel der Schatten der dunklen Macht über die Mitglieder des Ordens. Dämonen gelangten häufiger in unsere Welt, und selbst Sargeras gelang es, kleine Teile seiner selbst zu manifestieren. Es war nur ein Bruchteil seiner Macht, aber es reichte aus, um Armeen zu zerschlagen und Nationen zu vernichten.«
Khadgar dachte an das Bild von Sargeras, das Aegwynn in der Vision bekämpft hatte. War das wirklich nur ein Bruchteil der wahren Macht dieses mächtigen Dämons gewesen?
»Magna Aegwynn …«, begann Medivh und unterbrach sich. Es war, als sei er nicht daran gewöhnt diese Worte auszusprechen. »Die, die mich gebar, war selbst fast tausend Jahre zuvor geboren worden. Sie war sehr talentiert und wurde von den anderen Mitgliedern des Ordens zur Wächterin bestimmt. Ich glaube, die Grauesten der Graubärte dachten damals, sie könnten sie kontrollieren und die Wächterin weiterhin als Schachfigur in ihren eigenen politischen Spielzügen einsetzen.
Sie überraschte sie.« Medivh lächelte. »Sie ließ sich nicht manipulieren und kämpfte sogar gegen einige der größten Magier ihrer Zeit, als diese unter dämonischen Einfluss gerieten. Manche dachten, ihre Unabhängigkeit würde mit der Zeit vergehen und dass sie, wenn ihre Zeit gekommen war, die Aufgabe an einen einfacheren Kandidaten weiterreichen würde. Erneut überraschte sie die anderen, indem sie ihre eigene Magie benutzte, um tausend Jahre unverändert zu leben. Sie benutzte ihre Macht mit Weisheit und Würde. Und so spaltete sich die Wächterin vom Orden ab. Der Orden kann dem Wächter Vorschläge machen, doch Letzterer hat das Recht Ersteren jederzeit herauszufordern, damit sich das Schicksal der Kaldorei nicht wiederholt.
Tausend Jahre kämpfte sie gegen die Große Dunkelheit und forderte selbst den körperlichen Aspekt von Sargeras heraus, der auf diese Existenzebene gelangt war. Er wollte die mythischen Drachen vernichten, um deren Macht zu vereinnahmen. Magna Aegwynn traf ihn und siegte. Sie sperrte seinen Körper an einen Ort, den niemand kennt, und trennte ihn auf ewig von der Großen Dunkelheit, aus der er seine Macht zieht. Das alles steht in dem epischen Gedicht ›Das Lied von Aegwynn‹, nach dem Guzbah sucht. Sie konnte das nicht auf ewig, aber es muss immer einen Wächter geben.
Und dann …« Wieder unterbrach sich Medivh. »Sie hatte jedoch noch einen Trumpf im Ärmel. Sie war zwar mächtig, aber nicht unsterblich. Man erwartete, dass sie ihre Macht weitergeben würde. Stattdessen benutzte sie einen Zauberer vom Hof von Azeroth, um einen Erben zu zeugen. Dieses Kind ernannte sie zu ihrem Nachfolger. Sie bedrohte den Orden und sagte, sie würde ihre Macht mit in den Tod nehmen und verhindern, dass es einen weiteren Wächter gebe, sollte man ihre Wahl nicht akzeptieren. Der Orden glaubte, es wäre vielleicht einfacher, ein Kind zu manipulieren …
mich
zu manipulieren … und so stimmte er zu.
Doch die Macht war zu groß. Als ich ein junger Mann war, jünger als du, erwachte sie in mir, und ich schlief mehr als zwanzig Jahre lang. Magna Aegwynn hatte so viel von ihrem Leben, und ich scheine das Meiste von meinem verloren zu haben.« Seine Stimme zitterte. »Magna Aegwynn … meine Mutter …«, setzte er erneut an, bemerkte jedoch, dass er nichts mehr zu sagen hatte.
Khadgar saß für einen Moment ruhig da. Dann streckte sich Medivh, fuhr sich durch die langen Haare und sagte: »Und während ich schlief, schlich sich das Böse zurück in die Welt. Es gibt jetzt mehr Dämonen, mehr Orcs. Und Mitglieder meines eigenen Ordens schreiten wieder den dunklen Weg hinab. Ja, Huglar und Hugarin waren Mitglieder des Ordens, so wie schon andere vor ihnen – so wie auch der uralte Arrexis von den Kirin Tor. Ja, etwas Ähnliches geschah mit ihm, und obwohl sie es damals vertuscht haben, hast du wahrscheinlich
etwas
davon gehört. Sie fürchteten sich vor der Macht meiner Mutter und vor mir, und ich habe dafür gesorgt, dass ihre Furcht sie nicht vernichtet. Dies ist die Aufgabe des Wächters von Tirisfal.«
Der ältere Mann sprang auf. »Ich muss gehen!«
»Gehen?«, sagte Khadgar. Er war überrascht über den plötzlichen Energieausbruch dieses hageren Körpers.
»Wie du schon so richtig bemerkt hast, treibt sich ein Dämon herum«, sagte Medivh, nun wieder lächelnd.
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