WoW 05 - Der Tag des Drachen
sicher?«, fragte die Elfe, als sie neben ihn trat.
»Es muss so sein.« Er sah auf. Selbst die feste Wolkendecke konnte nicht über die Tatsache hinwegtäuschen, dass der Morgen rasch näher rückte. »Nekros wollte im Morgengrauen aufbrechen …«
»Ist er völlig verblödet?«, murmelte Falstad. »Würde es nicht mehr Sinn machen, wenn der verdammte Orc im Schutz der Nacht losgezogen wäre?«
Rhonin schüttelte den Kopf. »Deathwing kann bei Nacht recht gut sehen, vielleicht sogar besser als wir. Nekros erwähnte während seines Verhörs, dass er sogar auf Deathwing vorbereitet sei. Er schien der Ankunft des dunklen Herrschers sogar
entgegenzufiebern
.«
»Aber das ergibt doch gar keinen Sinn!«, sagte die Waldläuferin. »Wie sollte ein einzelner Orc ihn besiegen?«
»Wie konnte er die Drachenkönigin unter Kontrolle halten, und woher nahm er eine Kreatur wie den Golem?« Die Frage verstörte ihn mehr als er zu erkennen gab. Der Gegenstand, den der Orc bei sich trug, hatte gewiss erstaunliche Fähigkeiten, aber war er
so
mächtig?
Falstad befahl mit einem Wink zu schweigen und zeigte dann nach Nordwesten, weit hinter die Berge.
Ein riesiger dunkler Schatten brach einen Moment später durch die hohen Wolken und verschwand wieder, als er tiefer sank.
»Es ist Deathwing …«, flüsterte der Greifenreiter.
Rhonin nickte. Die Zeit der Spekulationen war vorbei. Dass Deathwing gekommen war, konnte nur eines bedeuten. »Was immer auch geschehen mag, es geschieht
jetzt
.«
Die lange Orc-Karawane zog los, als das erste Licht der Morgendämmerung Grim Batol erreichte. Die Wagen wurden am Anfang des Zuges und an seinem Ende von bewaffneten Kriegern begleitet, die frisch geschliffene Äxte, Schwerter und Lanzen trugen. Eskorten ritten neben den Peon-Fahrern, vor allem neben den Wagen mit den wertvollen Dracheneiern. Jeder Orc sah aus, als müsse er jeden Moment dem Feind entgegenstürmen, denn selbst der niedrigste Krieger kannte die Gerüchte über die bevorstehende Invasion.
Nekros Skullcrusher saß auf einem der wenigen Pferde, die den Orcs zur Verfügung standen, und beobachtete die Abreise voller Ungeduld. Er hatte die Drachenreiter und ihre Tiere nach Dun Algaz vorausgeschickt, damit selbst im Fall seines Scheiterns noch ein paar Drachen der Horde zur Verfügung stehen würden. Er hatte es nicht gewagt die Geflügelten zum Transport der Eier zu benutzen, denn ein früherer, fehlgeschlagener Versuch hatte den Kommandanten davon überzeugt, dass es sinnlos und zu riskant war.
Es wäre unmöglich gewesen, einen Wagen zu konstruieren, der einen Drachen transportieren konnte, und so war Nekros die Aufgabe zugefallen, die beiden gefährlichsten Wesen unter Kontrolle zu halten. Beide, Alexstrasza und – überraschend – Tyran folgten am Ende der Kolonne, sich stets der Macht bewusst, die das
Dämonensiegel
auf sie ausübte. Für den kranken Gefährten der Drachenkönigin musste die Lage sehr schwierig sein, und Nekros bezweifelte, dass er die Reise überleben würde. Trotzdem wusste der Orc, dass ihnen keine andere Wahl geblieben war.
Die beiden großen Leviathane boten immer noch einen beeindruckenden Anblick. Das Weibchen noch mehr als das Männchen, da es bei besserer Gesundheit war. Nekros bemerkte, wie Alexstrasza ihn anstarrte und der Hass in ihren Augen leuchtete. Das interessierte den Orc nicht. Sie würde ihm gehorchen, so lange er das Artefakt trug, mit dem er
jeden
Drachen zu beherrschen vermochte.
Der Gedanke an Drachen ließ ihn zum Himmel blicken. In den wolkenverhangenen Lüften fand ein Leviathan viele Orte, an denen er sich verbergen konnte, aber irgendwann musste etwas geschehen. Selbst wenn die Streitkräfte der Allianz noch weit weg waren, Deathwing würde kommen. Nekros verließ sich darauf.
Die Menschen würden erfahren, wie dumm es war, sich auf den Sieg des dunklen Herrschers zu verlassen. Was
einen
Drachen beherrschte, konnte sicherlich auch
weitere
beherrschen. Mit der
Dämonenseele
würde der Orc-Kommandant die Kontrolle über die grausamste aller Bestien erlangen. Er, Nekros, würde Deathwings Herr werden … aber nur, wenn das verdammte Reptil in absehbarer Zeit auftauchte.
»Wo bist du, verteufelte Kreatur?«, murmelte er. »Wo?«
Die letzte Reihe von Kriegern verließ den Höhleneingang. Nekros sah ihnen zu, als sie vorbei schritten. Sie waren stolz und wild und erinnerten ihn an die Tage, als die Horde keine Niederlage gekannt hatte und keinen Gegner, der nicht hatte
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