WoW 07 - KdA 2 - Die Dämonenseele
Gleichzeitig hatte man ihn auf ein Dutzend entsetzliche Weisen vernichtet. Die Folter war so schrecklich gewesen, dass er den Tod wie eine sehnsüchtig erwartete Geliebte empfangen hatte.
Doch selbst die Leiden seines Sterbens verblassten verglichen mit dem, was danach kam.
Er hatte keinen Körper mehr, keine Substanz, nichts. Von ihm war weniger geblieben als ein Geist. Seine eigene Existenz war ihm nur bewusst, weil ein anderer ihn leiden ließ. Er hatte diesen anderen enttäuscht, und Enttäuschung war die größtmögliche Sünde.
Sein Gefängnis war ein endloses Nichts. Er hörte nichts, sah nichts, spürte nichts… außer Schmerz. Wie viel Zeit mochte vergangen sein? Tage, Wochen, Monate, Jahre, Jahrhunderte? Oder nur einige wenige entsetzliche Minuten? Wenn Letzteres zutraf, dann war seine Folter wahrhaft monströs.
Sein Schmerz endete unerwartet. Ohne einen Mund konnte er seine Erleichterung, seine Freude nicht hinausschreien. Noch nie war er so dankbar für etwas gewesen.
Doch dann begann er sich zu fragen, ob diese Pause nur die Vorbereitung auf eine neue, noch schlimmere Folter war.
Ich habe beschlossen, dich zu begnadigen.
Die Stimme seines Gottes erfüllte ihn gleichermaßen mit Hoffnung und Angst. Er wollte sich verbeugen, auf Knien rutschen, doch ohne Körper war ihm das – oder irgendetwas anderes – nicht möglich.
Ich habe entschieden, dass es einen Platz für dich gibt. Ich habe die Schwärze in dir erblickt und gefunden, was mich einst erfreute. Das wird der Kern deines neuen Ichs sein. Du wirst ein weit besserer Diener werden als zuvor.
Er war unendlich dankbar für dieses Geschenk, konnte dies jedoch ebenfalls nicht zeigen.
Du musst neu geformt werden, aber so, dass andere in dir den Ruhm sehen, den ich gebe und die Strafen, die ich austeile. Ich werde dir etwas zurückgeben, durch das sie dich erkennen werden.
Ein Energieblitz durchfuhr ihn. Winzige Materieflocken flogen ins Innere des Energiesturms, verbanden sich miteinander und schenkten ihm Substanz. Viele hatten vor seiner Zerstörung zu ihm gehört und waren ihm, wie seine Seele, im Augenblick seines Todes von seinem Gott genommen worden.
Langsam und verschwommen bildete sich ein Körper um ihn. Er konnte sich nicht bewegen, konnte nicht atmen. Dunkelheit umgab ihn, und er erkannte, dass er sein Augenlicht zurückerhalten hatte.
Und dann begann er zum ersten Mal nach seinem Tode wirklich zu sehen. Er bemerkte, dass seine Arme und Beine anders waren als zuvor. Die Beine bogen sich an den Knien nach hinten und endeten in Hufen. Alle Gliedmaßen waren von dichtem Fell bedeckt, die Hände endeten in langen Klauen.
Sein Gesicht fühlte sich fremd an. Er spürte, dass gekrümmte Hörner aus seiner Stirn ragten. Nichts erinnerte an seinen letzten Körper, und er fragte sich, wie andere ihn erkennen sollten.
Zögernd hob er die Hand und berührte seine Augen… und plötzlich wusste er, woran man ihn erkennen würde. Er spürte, wie die Kräfte darin mit jeder Sekunde größer wurden. Er erkannte die Stränge magischer Energie, die ihn umgaben, sah, wie die unsichtbare Hand seines Gottes seinen Körper erschuf und ihm mehr Macht verlieh als je zuvor.
Er beobachtete die Arbeit seines Gottes und bewunderte ihre Perfektion. Hier entstand eine neue Art von Diener, einer, den alle anderen Jünger seines Herrn beneiden würden.
All dies sah er durch künstliche Augen aus schwarzem Metall, die von rubinroten Schlieren durchzogen waren.
Diese Augen würden all jene zu deuten wissen, die ihn einmal gekannt hatten – und sie würden lernen, ihn aufs Neue zu fürchten.
Lord Kur'talos Ravencrest stand vor dem hohen steinernen Stuhl, von dem aus er normalerweise seine Audienzen hielt, und betrachtete die vor ihm versammelten Kommandanten. Selbst für einen Nachtelf war er außergewöhnlich groß. Sein Gesicht war lang und schmal. Es erinnerte ein wenig an den schwarzen Vogel, dessen Namen er trug. Sogar seine Nase war gebogen wie ein Schnabel. Sein gestutzter Bart und die streng blickenden Augen verliehen ihm eine Aura der Weisheit und Macht. Er trug die graugrüne Rüstung seiner Soldaten, betonte seinen hohen Status jedoch durch einen goldfarbenen Umhang und einen großen, rot eingefassten Helm, auf dem der stilisierte Kopf eines Raben prangte.
Hinter dem Stuhl hingen die Banner seines Hauses, rechteckige, purpurne Fahnen, die die schwarze Silhouette eines Vogels in ihrer Mitte trugen. Das Banner des Hauses Ravencrest war zum
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