WoW 09 - Arthas-Aufstieg des Lichkönigs
noch diesen Fluch auf.«
»Einen Fluch?« Arthas lachte bitter. »Ich würde gern jeden Fluch auf mich nehmen, um meine Heimat zu retten.«
Aus dem Augenwinkel sah er, wie Muradin erschauderte. »Arthas, Ihr wisst, dass ich ein zäher Kerl bin, der sich nichts so schnell einbildet. Doch ich sage Euch, das ist eine üble Sache, Junge. Lasst das Schwert hier, wo es vergessen ruht. Mal'Ganis ist hier, mag sein. Dann lasst ihn sich seinen dämonischen Hintern in der Wildnis abfrieren. Vergesst diese Sache und führt Eure Männer heim.«
Das Bild der Männer erfüllte plötzlich Arthas' Innerstes. Er sah sie vor seinem geistigen Auge und neben ihnen erblickte er die Hunderte Menschen, die bereits dieser schrecklichen Seuche zum Opfer gefallen waren. Gefallen, nur um wieder aufzustehen, als stumpfe, verfaulende Fleischklumpen.
Was war mit denen? Was war mit ihren Seelen, ihren Leiden?
Ein anderes Bild erschien – ein großes Stück Eis, dasselbe Eis, das Frostgram umgab. Er sah nun, wo der Eisklumpen hergekommen war. Er war Teil von etwas Größerem, Stärkerem gewesen – und er war mit der Runenklinge darin irgendwie zu ihm geschickt worden, um die Toten zu rächen.
Eine Stimme flüsterte in seinem Geist:
Die Toten verlangen Rache.
Was war eine Handvoll lebender Männer verglichen mit den Qualen derjenigen, die auf so eine schreckliche Art gefallen waren?
»Verdammt seien die Männer!«
Die Worte schienen tief aus seinem Inneren zu kommen. »Ich habe den Toten gegenüber eine Verpflichtung. Nichts soll mich von meiner Rache abhalten, alter Freund.« Jetzt löste er den Blick lange genug von dem Schwert, um Muradins besorgten Blick zu sehen, und sein Gesicht wurde ein wenig sanfter. »Nicht einmal Ihr.«
»Arthas – ich habe Euch das Kämpfen beigebracht. Ich wollte Euch helfen, ein guter Krieger zu werden und ein guter König. Doch um ein guter Krieger zu sein, muss man sich entscheiden, welche Schlachten man kämpft – und mit welcher Waffe.« Er deutete mit dem knubbeligen Finger auf Frostgram. »Und
das
ist eine Waffe, die Ihr nicht in Eurem Arsenal haben solltet.«
Arthas presste beide Hände gegen das Eis, in dem das Schwert steckte, und beugte sein Gesicht bis wenige Zentimeter über die glatte Oberfläche. Er hörte Muradin, als würde er aus weiter Entfernung zu ihm sprechen.
»Hört mir zu, Junge. Wir werden einen anderen Weg finden, Euer Volk zu retten. Wir sollten jetzt gehen, nach Hause zurückkehren und diesen Weg suchen.«
Muradin hatte unrecht. Er verstand es einfach nicht. Arthas musste es tun. Wenn er jetzt wegging, hatte er versagt, schon wieder, und das durfte er nicht zulassen. Man war ihm bislang stets in die Quere gekommen.
Doch nicht dieses Mal.
Er glaubte an das Licht, weil er es sehen konnte, es selbst benutzt hatte. Und er glaubte an Geister und wandelnde Untote, weil er gegen sie gekämpft hatte. Doch bis zu diesem Moment hatte er nicht an eine unsichtbare Macht geglaubt, die Orten und Dingen innewohnte. Nun raste sein Herz vor Aufregung und mit einem Verlangen, einer Sehnsucht, die von seiner Seele zu zehren schien, kamen die Worte wie von selbst über seine Lippen.
»Jetzt kann ich die Geister dieses Ortes anrufen«, sagte er, sein Atem gefror in der kalten, stillen Luft. Knapp außerhalb seiner Reichweite hing Frostgram und erwartete ihn. »Was immer du auch sein magst, gut oder böse – oder beides. Ich kann dich spüren. Ich weiß, dass du zuhörst. Ich bin bereit. Ich verstehe. Und ich sage dir jetzt: Ich werde alles geben, jeden Preis bezahlen, wenn du mir nur dabei hilfst, mein Volk zu retten.«
Einen schrecklichen Moment lang geschah nichts. Sein Atem gefror, verschwand, gefror erneut, und kalter Schweiß lief über Arthas' Stirn. Er hatte alles geboten, was er hatte – war er abgelehnt worden? Hatte er erneut versagt?
Und dann, mit einem tiefen Ächzen, das ihm den Atem nahm, bildete sich plötzlich ein Riss über die glatte Oberfläche des Eises. Er verlief im Zickzack nach oben und wurde größer, bis Arthas kaum noch das Schwert erkennen konnte, das in seinem Kern ruhte. Dann taumelte er zurück, hielt sich gegen das laute Knacken, das die Kammer erfüllte, die Ohren zu.
Der eisige Sarg, der das Schwert umgab, zerplatzte. Eisstücke flogen durch die Kammer, fast selber schon scharf wie Schwerter. Sie prallten gegen den unnachgiebigen Boden und die Wände, und als Arthas auf die Knie fiel, bedeckten seine Arme automatisch den Kopf. Plötzlich hörte er einen
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