Wu & Durant 02 - Am Rand der Welt
Georgia?«
»Zweimal«, sagte sie. »Beim ersten Mal im Gefolge der Gattin des Außenministers; beim zweiten Mal mit der Frau des Vizepräsidenten.«
Wu lächelte. »Vergnügungsreisen?«
»Nur Weibergekicher.«
»Kann ich mir vorstellen.« Nach längerem Schweigen fragte Artie Wu: »Was ist mit Harry Crites in Washington? Meinst du, er macht einen Riesenwirbel?«
»Wenn Espiritus Tod bekannt gegeben wird?«
Wu nickte.
»Was soll Harry dazu sagen? Espiritu ist nach Hongkong geflogen, hat die fünf Millionen eingesackt, seine Meinung geändert, ist zurückgeflogen und danach einem zweiten Schlaganfall erlegen. Die NPA wird nicht dementieren, daß er tot ist. Sie wird das mit den fünf Millionen dementieren, aber ich glaube nicht, daß Harry deswegen Anzeige erstattet.«
»Dann sind wir praktisch aus dem Schneider, meinst du nicht?«
Sie überdachte die Frage. »Ich denke „schon. Auf alle Fälle ist es besser, als zu versuchen, einen noch lebenden Espiritu über den Tisch zu ziehen.« Sie grinste Wu an. »Du wolltest wirklich die Pigeon-Drop-Masche mit ihm durchziehen, stimmt’s?«
Wu lächelte beinahe versonnen, wie über eine verpaßte Gelegenheit. »Eine elegante Variante derselben. Es wäre wunderbar gewesen.« Er seufzte. »Und auf Nimmerwiedersehen. Nie und nimmer.«
»Auch auf die Art wird’s keins geben«, sagte sie.
»Das wollen wir hoffen«, sagte Artie Wu.
Booth Stallings fand, daß selbst Mitgliedern des Königshauses kein herzlicherer Empfang zuteil werden könne, als ihn das Hongkong-Peninsula Wu, Durant und Otherguy Overby bereitete. Offensichtlich verehrte man im Hotel dieses freigiebige Gästetrio und machte sogar um Georgia Blue einigen Wirbel. Aufgrund seiner Zugehörigkeit zu Mr. Wus Gesellschaft wurde auch Stallings mit einer Ehrerbietung behandelt, die normalerweise Kultur- und Sportministern sowie alternden Rockstars vorbehalten ist.
Nachdem Stallings auf sein Zimmer geleitet worden war, ging er unter die Dusche, hielt ein Nickerchen, ließ sich Essen aufs Zimmer kommen und wartete darauf, daß das Telefon klingelte. Es klingelte um 20 Uhr. Nachdem er hallo gesagt hatte, hörte er Durant sagen: »Machen wir einen Spaziergang.«
»Warum?«
»Weil ich es möchte«, sagte Durant.
Sie liefen die Salisbury Road entlang bis zum YMCA von Kowloon, dem einstigen Wohnsitz von Otherguy Overby.
»Trinken wir eine Tasse Tee«, sagte Durant.
»Tee?«
»Tee.«
»Na ja, irgendwie sind wir, schätze ich, in China.«
Das Restaurant des YMCA wartete mit Plastik-Tischen, wackligen Plastikstühlen und dem Geruch von billigem, in gewaltigen Mengen gekochtem Essen auf. Durant musterte den fast leeren Raum, bevor er einen Tisch wählte, an dem ein Filipino in einem gut geschnittenen hellbraunen Leinenanzug saß, dessen Jackenärmel noch echte Knöpfe samt Knopflöchern hatten. Der Filipino nickte Durant kühl zu, als dieser sich setzte. Stallings wählte einen Stuhl gegenüber von dem Filipino. Durant stellte die beiden Männer einander wie beiläufig vor. »Lieutenant Cruz, Booth Stallings.«
Stallings starrte Cruz an und sagte: »Am Flughafen von Manila, stimmt’s?«
Lieutenant Cruz nickte.
»Sie waren Lieutenant bei was, als sie sich Durant geschnappt haben?«
»Bei der Mordkommission. Bin ich noch immer.«
Durant fragte Cruz: »Haben Sie mit der Polizei in Hongkong gesprochen?«
»Ich habe sie von Manila aus angerufen und gleich aufgesucht, nachdem ich hier ankam. Man gab mir das hier.« Er hob einen ledernen Aktenkoffer vom Fußboden, öffnete ihn auf seinem Schoß, entnahm einen Umschlag und reichte ihn Durant. Das unbeschriftete DIN-A4-Kuvert trug den Aufdruck der Hongkong-and-Shanghai-Bank. Durant verstaute es sorgfältig in der Innentasche seiner Jacke.
Lieutenant Cruz deutete mit dem Kinn auf Stallings. »Weiß er Bescheid?«
»Noch nicht.«
»Bescheid worüber?« sagte Stallings.
Sie ignorierten seine Frage. Lieutenant Cruz hob eine Augenbraue, während Durant nur die Achseln zuckte. Der Detective beugte sich zu Stallings und sprach mit leiser, schneller Stimme. »Hören Sie gut zu. Morgen wird die Polizei von Hongkong Miss Blue verhaften, sobald sie aus der Bank kommt.«
»Weswegen?«
»Wegen des Mordes an Mrs. Emily Cariaga – die eine Freundin von ihm war.« Lieutenant Cruz deutete mit einem Nicken auf Durant.
»Bisher stinkt’s«, sagte Stallings.
»Wir haben Beweise«, sagte Lieutenant Cruz, »daß Miss Blue direkt oder indirekt auf der Gehaltsliste
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