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Wu & Durant 02 - Am Rand der Welt

Wu & Durant 02 - Am Rand der Welt

Titel: Wu & Durant 02 - Am Rand der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ross Thomas
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schon immer zu spät gekommen, sogar damals, Anfang der Sechziger, als er gewöhnlich eine Viertelstunde nach Beginn in eine Sitzung platzte, ein fröhliches breites Lächeln im Gesicht, die unvermeidliche King-Edward-Zigarre im Mund und einen Stapel hoffnungslos durcheinandergeratener Dokumente in den Händen. Dann entwaffnete er immer selbst die Pünktlichkeitsfanatiker mit einem trockenen, selbstironischen Spruch, der alle zum Kichern brachte.
    Nach Kennedys Tod, 1963, hatte Harry Crites das, was er später immer nicht ganz zutreffend »mein Kurzeinsatz im Weißen Haus« nannte, aufgekündigt und wechselte ins Verteidigungsministerium, wo er sich gar nicht wohl fühlte, und von dort ins Außenministerium, wo er einen Platz in dem fragwürdigen Programm für öffentliche Sicherheit bei der Abteilung für internationale Entwicklung an Land zog. Die Abteilung hatte Crites in sieben oder acht minderentwickelte Länder entsandt, aus denen bald Gemunkel über einige Deals drang, die er mit deren Ministerpräsidenten, Präsidenten auf Lebenszeit oder Premierministern gedreht hatte. Aber Stallings hatte nie besonders darauf geachtet.
    Außerdem waren etwa um diese Zeit – 1965 – Stallings, seine Frau und ihre zwei kleinen Töchter, abgepolstert durch das 20000-Dollar-Stipendium einer Stiftung, von Washington nach Rom gezogen, wo er seine Recherchen zum Terrorismus fortsetzte.
    In den folgenden sieben oder acht Jahren war Booth Stallings nur dann nach Washington und manchmal New York zurückgekehrt, wenn er gezwungen war, zusätzliche Mittel bei zumeist unwilligen Stiftungen lockerzumachen. Und gelegentlich war er auf einer der unvermeidlichen Cocktailpartys oder Botschaftsempfänge Harry Crites über den Weg gelaufen.
    Aber da hatten Harry Crites’ fadenscheiniger blauer Anzug, die King-Edward-Zigarre und der alte Ford Fairlane mit seinen durchgerosteten Trittbrettern der Vergangenheit angehört. Statt dessen waren seine Anzüge jetzt von J. Press, die Zigarren rochen nach Havanna, und das Auto war ein beigefarbener Mercedes, nicht das allerteuerste Modell, aber auch kein Diesel.
    Bei diesen gelegentlichen Begegnungen hatten Harry Crites und Booth Stallings nie mehr als ein »Hallo« und »Wie geht’s denn so?« ausgetauscht, obwohl Crites nie eine Antwort darauf gegeben oder erwartet hatte, weil immer andere da gewesen waren, mit denen er sehr viel lieber reden wollte als mit Stallings, und gewöhnlich winkte und lächelte er ihnen bereits zu.
    Aber einmal war niemand da gewesen – jedenfalls keiner, der sich lohnte –, und Harry Crites hatte ihm erzählt, er sei aus der Regierung ausgeschieden und betätige sich jetzt als Verbindungsmann; was im Klartext hieß, daß er das verhökerte, was damals noch »Einfluß« hieß, aber in späteren Jahren in »Zugang« abgemildert wurde. Stallings hatte sich manchmal überlegt, wer Crites bezahlen mochte, und seine Schlußfolgerungen hatten ihn gründlich deprimiert.
     
    Harry Crites hatte zweiundzwanzig Minuten Verspätung, als der Gorilla das Madison betrat und die Lobby mit dem üblichen schnellen, nicht ganz gelangweilten Blick studierte, der über Booth Stallings hinweghuschte, sekundenlang auf den beiden Saudis verweilte, die Hilfskräfte hochrechnete und die Nebenausgänge registrierte. Danach zupfte sich der Gorilla unauffällig am linken Ohrläppchen, als wolle er sich des kleinen goldenen Ohrrings vergewissern.
    Booth Stallings ernannte sie sofort zu einer der drei umwerfendsten Frauen, die er je gesehen hatte. Ihres ungeheuer selbstsicheren Auftretens wegen schätzte er ihr Alter auf zweiunddreißig oder dreiunddreißig. Aber er wußte, daß er um fünf Jahre in beide Richtungen danebenliegen konnte, denn ihre Art, sich zu bewegen, war die einer jungen Athletin, die noch acht ihrer besten Jahre vor sich hat.
    Sie war mindestens eins fünfundsiebzig groß und nicht ganz so schlank, wie ihre Größe sie wirken ließ. Sie hatte keine Handtasche und trug lange, cremefarbene Gabardinehosen zu einer schwarzen Jacke aus einem genoppten Material, die kurz genug war, sie noch größer erscheinen zu lassen, doch weit genug, die Pistole zu verbergen, die sie trug, wie Stallings irgendwie wußte.
    Ihr Haar war von einem kräftigen rötlichen Braun, bei dem das Rot das gewisse Etwas ausmachte. Trotz des lässigen Kurzhaarschnitts sah es perfekt aus. Es wirkte überdies so, als müsse sie nur mit den Fingern hindurchfahren, um es so aussehen zu lassen. Stallings argwöhnte,

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