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Wu & Durant 02 - Am Rand der Welt

Wu & Durant 02 - Am Rand der Welt

Titel: Wu & Durant 02 - Am Rand der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ross Thomas
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Mott geheiratet hatte, kurz bevor dieser 1980 das Justizministerium verließ, um sich auf die Verteidigung wohlhabender Wirtschaftskrimineller zu spezialisieren. Mott bezeichnete sein Gewerbe gern als Wachstumsindustrie. Nach zwei mageren Jahren wurde Mott allmählich selbst wohlhabend.
    Als Stallings’ Tochter aus Cleveland Park sich meldete, sagte er: »Was gibt’s zum Abendessen?«
    Lydia Mott ächzte. »Oh, mein Gott, jeder in der Stadt weiß es schon!«
    »Was?«
    »Man hat dich rausgeschmissen. Bist du schon blau?«
    »Noch nicht, und ›jeder in der Stadt‹ heißt Joanna, stimmt’s?« Joanna war Stallings’ fünfunddreißigjährige Tochter in Georgetown. Sie hatte den Erben eines Autowachsherstellers geheiratet, dem Reichtum und politische Neigungen eine Berufung in die oberen Ränge des State Department eingebracht hatten. Stallings bezeichnete seinen Schwiegersohn manchmal insgeheim als Neal den Ahnungslosen.
    »Sie hat dreimal angerufen«, sagte Lydia Mott.
    »Weswegen?«
    »Weil sie für dich dieses Sondierungsessen arrangiert hat. Es geht um einen Job, und er möchte, daß du mit ihm um halb acht im Montpelier-Saal des Madison zu Abend ißt … Herrgott, das wird ihm an die Brieftasche gehen, oder?«
    »Lydia«, sagte ein sehr geduldiger Stallings. »Wer ist er?«
    »Richtig. Das ist irgendwie relevant. Also, es ist ein gewisser Harry Crites.«
    »Der Dichter.«
    »Dichter?«
    »Er wird gedruckt.«
    »Schon, aber was macht er?«
    Stallings zögerte. »Ich bin nicht ganz sicher. Nicht mehr.«
    »Verstehe. Einer von denen. Na ja, möchtest du, daß ich jetzt Joanna anrufe und sie bitte, ihm, wenn er wieder anruft, auszurichten, daß du ihn dort um halb acht triffst?«
    Wieder zögerte Stallings und erwog die Verheißungen eines Samstagabends in der Gesellschaft von Harry Crites. Das innere Abwägen dauerte an, bis seine Tochter ungeduldig wurde und sagte: »Nun?«
    »Entschuldige«, sagte Stallings, »ich habe bloß versucht, diesen letzten Satz von dir zu sortieren. Aber okay. Ruf Joanna an und sag ihr, ja.«
    Es entstand ein kurzes Schweigen, bis seine Tochter sagte: »Schau, Pappi. Wenn du nicht mit dem Dichter essen willst, warum kommst du nicht raus und ißt mit uns Lammstew und hörst dir einige von Howies schmutzigen Geschichten aus dem wirklichen Leben an?«
    »Was für ein Trost und Segen du doch bist in diesen Prä-Alzheimer-Jahren.«
    »Nein, danke also? Okay. Wieso haben sie dich gefeuert?«
    Stallings wollte schon die Schultern zucken, unterließ es aber, als ihm klar wurde, daß sie es nicht sehen konnte. »Etatkürzungen, haben sie gesagt.«
    »Etat? Bei all den Millionen?«
    »Ich ruf dich wieder an«, sagte Stallings.
    »Morgen.«
    »Okay. Morgen.«
    Booth Stallings hängte den Hörer ein, ging zu einem der erleuchteten Drugstore-Fenster und nutzte die Spiegelung, um seine Kleidung zu mustern: die alte Wildlederjacke aus Istanbul; die zu breite schwarz-braune Krawatte, die er seiner Erinnerung nach in Bologna gekauft hatte; ein hellbraunes Hemd von Marks and Spencer in London, an das er immer als sein Tausend-Meilen-Stück dachte, nachdem er einmal einen altgedienten Handelsreisenden ein ähnliches Hemd so hatte bezeichnen hören; und dann die graue Flanellhose, an deren Kauf er sich überhaupt nicht mehr erinnern konnte, deren scharfe Bügelfalten aber die Vermutung nahelegten, daß sie nicht in den Staaten gekauft worden waren. Was sein Schuhwerk betraf, wußte Stallings ohne hinzusehen, daß er trug, was er immer zu tragen pflegte: billige braune Halbschuhe, die er im Dutzend kaufte und paarweise wegwarf, sobald sie abgetragen waren.
    Immerhin würde seine Aufmachung ihm den Zutritt ins Madison eröffnen. Und sie war sicherlich angemessen für ein Abendessen mit Harry Crites, der einen betagten blauen Anzug mit glänzenden Ellbogen und blankgewetztem Hosenboden getragen hatte, als Stallings ihm vor fünfundzwanzig Jahren erstmals begegnet war. Dreißig Minuten später hatte sich Crites fünfunddreißig Dollar gepumpt, um eine seit einem Monat überfällige Unterhaltszahlung zu tätigen.
    Während er sich nach einem Taxi umsah, versuchte Stallings sich zu erinnern, ob Harry Crites ihm die fünfunddreißig Dollar je zurückgezahlt hatte, und kam zu dem Schluß, daß das nicht der Fall war.

2
    Booth Stallings saß neben einigen gelangweilt wirkenden Saudis in der Lobby des Madison Hotels und wartete auf Harry Crites, der sich schon um neunzehn Minuten verspätet hatte. Aber Crites war

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