Wu & Durant 02 - Am Rand der Welt
eines quengeligen Säuglings mit nassen Windeln und kaputter Rassel. Die Wangen waren feist und rund und der Mund klein, rosa und feucht. Es war ein Gesicht, fand Stallings, das in wenigen Jahren in sich zusammenfallen würde wie ein übrig gebliebener Party-Luftballon.
»Ich bin bei der Botschaft«, sagte Weaver Jordan, wobei er sich erfolglos bemühte, einen vertraulichen Ton beizubehalten und sich trotzdem über das Hard-Rock-Dröhnen verständlich zu machen.
»Bei welcher Botschaft?«
»Welche, zum Teufel, glauben Sie denn?« blaffte Jordan, griff in seine Hemdtasche, bekam etwas zu fassen und schob es über den Tisch. Als Jordan seine Hand wegzog, hob Stallings eine in Plastik eingeschweißte Ausweiskarte hoch. Laut Karte war Weaver P. Jordan III. Mitarbeiter des amerikanischen Außenministeriums und hatte Anspruch auf alle zugehörigen Rechte und Privilegien. Laut Karte war er außerdem 175 cm groß, wog 80 Kilo und war vor dreiundvierzig Jahren in Indiana geboren; allerdings blieb der Geburtsort ungenannt.
Stallings gab Jordan den Ausweis zurück. Er schnappte ihn und steckte ihn wieder in seine Hemdtasche. »Was machen Sie bei der Botschaft, Weaver?«
»Ich arbeite im Büro des Kulturattachés.«
»Hätte ich mir denken können«, sagte Stallings.
Jordan trank ein weiteres Drittel von seinem Bier, beugte sich zu Stallings vor und bemühte sich, wieder ohne Erfolg, um einen vertraulichen Tonfall. »Ich hab eine Nachricht für Sie.«
»Von wem?«
»Ihrem Schwiegersohn.«
»Welchem? Ich habe zwei.«
»Secretary Hineline«, sagte Jordan und machte eine Pause, um den dramatischen Effekt zu steigern. »Eine Botschaft aus drei Wörtern.«
»Na ja, ich nehme an, mehr hat Neal nicht hingekriegt.«
»Die drei Wörter lauten«, sagte Jordan, » Aktion unverzüglich abbrechen .« Er lehnte sich zurück, und wieder erschien das kleine verkniffene Lächeln, das die Zähne bedeckt ließ.
Stallings nickte, als müsse er die Nachricht erst verdauen.
Dann schien ihm etwas einzufallen. »Könnte ich ihm vielleicht durch die Botschaft eine Antwort zukommen lassen?«
»Ja. Ich glaub schon. Warum nicht?«
»Drei Wörter«, sagte Stallings. »Vier, wenn Sie meinen Namen dazurechnen.«
Jordan zog ein kleines Notizbuch aus seiner Gesäßtasche und einen Kugelschreiber aus der Tasche seines Hemdes. Mit aufgeschlagenem Notizbuch und gezücktem Schreibgerät nickte er Stallings wieder zu.
»Die Botschaft lautet«, sagte Stallings und sprach in langsamer in Diktiergeschwindigkeit: »Leck mich. Herzlichst, Dad.«
Jordan ließ langsam den Kugelschreiber sinken und beobachtete mit leicht offenstehendem rosa Mündchen, wie Booth Stallings aufstand und zum Vorderausgang des Shoreleave zuging, wobei er nur kurz stehen blieb, um dem Barmädchen, das Weaver P. Jordan angeblafft hatte, es solle sich verpissen, einen 100-Peso-Schein in die Hand zu drücken.
Am überfüllten Schalter der Philippine Airlines im Intercontinental-Hotel ließ sich Booth Stallings eine Nummer geben und fand einen Sitzplatz zwischen den anderen einundvierzig prospektiven Passagieren. Eine Stunde und neun Minuten später wurde seine Nummer aufgerufen. Er fragte die Angestellte, die die Buchungen vornahm, wann er frühestens einen Platz in einer Maschine nach Cebu bekommen könne, und erhielt die Auskunft, um 16 Uhr. Daraufhin reichte er der Angestellten seine American-Express-Karte und den Reisepaß und sagte, das passe ihm sehr gut.
Artie Wu nahm den Anruf von Booth Stallings am selben Nachmittag um 13.39 Uhr entgegen, und um 14.14 Uhr waren er und Quincy Durant in Stallings’ Zimmer im Manila-Hotel, wo sie die Lew-Ritter-Klamotten und überraschend wenige persönliche Gegenstände in die alte Gladstone-Tasche aus Büffelleder packten.
Der letzte Gegenstand war ein Buch, das Durant durchblätterte.
»Was liest er?« fragte Wu.
»Auden«, sagte Durant. »Den frühen Auden.«
Er reichte das Buch Wu, der es in die Reisetasche steckte und diese verschloß. Als an die Zimmertür geklopft wurde, schauten sie einander an.
»Ein unheilvolles Klopfen, wenn ich je eins gehört habe«, sagte Wu.
Durant ging zur Tür und öffnete sie. Sie standen zu zweit im Flur, einer hinter dem anderen, und beide hatten das gewisse »Made in the USA«-Aussehen. Der Mann, der direkt vor der Tür stand, war ein Mittdreißiger und ziemlich elegant, was Durant automatisch für eine Art Tarnung hielt. Die Nummer zwei, Weaver P. Jordan, bot keinerlei Eleganz.
Der
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