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Würde - Roman

Titel: Würde - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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bedeutete aber auch, dass Richard aufgrund dieser Taktik nie in der Lage war, der Staatsanwaltschaft eine eigene Version des jeweiligen Vorfalls zu liefern. Er konnte weder strafmildernde Umstände geltend machen oder Einspruch erheben noch dem Gericht irgendwelche Hinweise hinsichtlich der jeweiligen Anklage geben.
    Mit dieser Strategie war Svritsky bisher immer gut gefahren, hatte aber seinen Anwalt gleichzeitig in eine undankbare Position gebracht. Eigentlich war Richard von Natur aus entgegenkommend. Er genoss Fälle, bei denen er Teil eines Teams sein und mit mehreren Kollegen zusammenarbeiten konnte, um sich etwa mit Auseinandersetzungen zwischen Laien zu beschäftigen, die das Gesetz nicht kannten und rechtlichen Beistand brauchten. Zugegebenermaßen war diese Art der Beratung vielleicht etwas patriarchalisch, aber er schätzte es, wenn jemand von einer solchen Gemeinschaftsarbeit ebenso wie von seiner fachlichen Expertise profitierte.
    Doch bei Svritsky kam das nicht in Frage. Richard sah sich dazu gezwungen, in die Rolle des schwierigen, abwehrenden Strafverteidigers zu schlüpfen, der die Staatsanwaltschaft ständig in Zugzwang brachte.
    »Cerissa, Sie kennen Svritsky. Ich kann Ihnen die Angelegenheit nicht aus seiner Sicht schildern.«
    »Dann haben wir uns nichts weiter zu sagen, Mr Calloway. Auf Wiedersehen.« Sie wandte sich von ihm ab, um ihre Zigarette
auf der äußeren Fensterbank auszudrücken und sie dann treffsicher in den Abfalleimer zu werfen. Richard nickte. Da er nichts mehr hinzuzufügen hatte, verließ er ihr Büro.
    Auch wenn die flüchtige Zusammenkunft auf den ersten Blick fruchtlos geblieben war, wussten doch sowohl Du Toit als auch Richard, dass er sein eigentliches Ziel erreicht hatte: Die Staatsanwältin hatte zugegeben, dass der Augenzeuge des Unfalls noch nicht ausfindig gemacht worden war und wohl auch in nächster Zeit nicht gefunden werden würde. Sie wussten zudem beide, dass die Anklage ohne diesen Zeugen sehr dürftig ausfiel. Es gab die Aussagen der Polizisten vor Ort, des Pathologen, der die Leiche obduziert hatte, und eines Kriminalinspektors, der ein paar hundert Meter entfernt das Nummernschild des Unfallwagens entdeckt hatte. Offensichtlich hatte es sich bei dem Aufprall gelockert und war dann abgefallen. Es war gerichtsmedizinisch belegt worden, dass das Blut auf dem Nummernschild mit dem des Verstorbenen identisch war. Außerdem gab es Aufnahmen des entstellten Leichnams, und den Unterlagen der Kfz-Zulassungsstelle zufolge gehörte das Nummernschild zu dem grünen Ford und somit zu Svritskys Flotte von Geschäftsfahrzeugen. Das reichte zwar für einen Indizienprozess gegen den Wagen aus, nicht aber, um Stefan Svritsky selbst vor Gericht zu bringen.
    Um den Russen anzuklagen, musste die Staatsanwaltschaft ihren Fall auf eine hastig hingekritzelte Aussage aufbauen, die vor Ort von einem jungen Polizeibeamten aufgenommen und mit einem unleserlichen Gekrakel unterschrieben worden war. Der Zeuge wurde als »Samora Machel« aufgelistet und hatte als Adresse »Maputo Street, Kapstadt« angegeben. Beide Angaben stellten sich als falsch heraus, und es war allein der miserablen Allgemeinbildung des Polizisten zu verdanken, dass er das nicht sofort bemerkte.

    Die kaum lesbare Aussage ließ vermuten, dass der Zeuge den Unfall mit dem auffallenden Coupé mit angesehen hatte und den Fahrer wiedererkennen würde. Obwohl genaue Einzelheiten fehlten, traf die Beschreibung erschreckend genau auf Svritsky zu. Die Staatsanwaltschaft erwartete, dass der Zeuge, wenn er erst einmal gefunden war, Svritsky bei einer Gegenüberstellung problemlos identifizieren würde.
    Richard vermutete allerdings, dass der Mann ausgesprochen schwer aufzuspüren sein würde. Falls man ihn aber doch ausfindig machte, wäre er wohl kaum bereit, seine Aussage vor Gericht zu wiederholen.
    Mit diesen neuen Informationen trat Richard gequält lächelnd zu seinem Mandanten. »Ich habe gute Nachrichten, Stefan. Die Staatsanwaltschaft konnte den Zeugen bisher nicht finden. Sie will zwar trotzdem Anklage erheben, aber ohne den Mann hat sie nichts in der Hand. Außerdem bin ich mir ziemlich sicher, dass Du Toit nur blufft. Vermutlich wird sie einen außergerichtlichen Vergleich vorschlagen. Wenn wir ihr zu verstehen geben, dass sie sich das sonst wo hinstecken kann, wird sie ganz schnell den Schwanz einziehen.« Richard neigte in Svritskys Gegenwart zu einer roheren Umgangssprache, auch wenn ihm diese Tatsache missfiel.

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