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Würde - Roman

Titel: Würde - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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gefüttert werden.
    Richard merkte, wie er gereizt wurde. Die Mitteilung kam ihm wie ein Eindringen in seine exklusive Geschäftswelt vor, als würde sein Status als Ernährer durch unbedeutende häusliche Anweisungen in Frage gestellt. Die Nachricht seiner Frau legte nahe, dass er eine Anleitung brauchte, um sich angemessen um die Bedürfnisse seiner Familie zu kümmern. Oder vielleicht hatte Amanda auch einfach nichts Besseres zu tun, als derartige Belehrungen in ihr Handy zu tippen?
    Während er durch die Nachricht scrollte, stieg ihm ein unangenehmer Geruch in die Nase. Er steckte das Handy ein und warf einen Blick auf den Fuß des Baumstammes. Unter den leeren Chipstüten und den Zigarettenstummeln entdeckte er ein halb eingetrocknetes menschliches Exkrement, nur Zentimeter von seinem Fuß entfernt. »Igitt«, murmelte er und trat aus dem Schatten des Baumes zurück ins Sonnenlicht. Er blickte sich um, als ob er erwartete, den Schuldigen noch zu entdecken, wie er hastig die Hose hochzog und davonlief. Ein alter Bergie saß auf einer niedrigen Mauer, die Arme wie welker Seetang über seine Knie hängend. Er riss den Mund auf, als wollte er gähnen, und entblößte eine Reihe angebrochener Zähne.
    Richard wartete nicht darauf, was der Mann sagen wollte, sondern eilte hastig Svritsky hinterher, um dem Geruch zu entkommen, der ihn zu verfolgen schien.
     
    Die Voranhörung fand zwei Tage später vor dem Landgericht statt. Die Vorsitzende Richterin, Mrs Shirley Abrahams, war eine Frau mittleren Alters und galt als erfahrene Strafjuristin, die einige der wichtigsten und schwersten Fälle vor dem Landgericht verhandelt hatte. Sie stellte hohe Anforderungen und weigerte sich, dieselbe Laxheit an den Tag zu legen, was die Prozessformalitäten
betraf, wie das einige ihrer Kollegen taten. Zudem war sie dafür bekannt, Verbrechen nicht auf die leichte Schulter zu nehmen und gleichzeitig unabhängig und objektiv zu sein. Einige Jahre zuvor, als sie noch für das Amtsgericht tätig gewesen war, hatte sie bereits einmal einer Kautionsanhörung vorgesessen, als Svritsky wegen versuchten Mordes angeklagt worden war. Wie Richard erwartet hatte, erwähnte sie diese Anhörung gleich als Erstes.
    »Mr Calloway«, sagte sie. »Wie Sie sicher wissen, ist Ihr Mandant für mich kein unbeschriebenes Blatt. Ich habe vor einiger Zeit einmal eine Kautionsanhörung im Amtsgericht geleitet. Gerichtsentscheidung 1043/06. Hält mich Ihr Mandant für befangen, oder hat er nichts dagegen einzuwenden, wenn ich auch dieser Angelegenheit vorsitze?«
    »Nein, Euer Ehren. Danke der Nachfrage. Ich habe bereits vorsorglich mit meinem Mandanten gesprochen, und wir sind beide mehr als einverstanden, dass Sie dieser Verhandlung vorsitzen.«
    Abrahams nickte. »Gut. Ehe wir fortfahren, wollten Sie mir noch etwas mitteilen, wenn ich richtig informiert bin?«
    Richard schob seine Papiere zusammen. »Ja, das möchte ich, Euer Ehren.«
    Er warf einen Blick auf seinen Gegner. Die Generalstaatsanwaltschaft hatte den Fall einem vergleichsweise jungen Anwalt namens Bradley Dumbela übertragen. Dumbela hatte in kürzester Zeit die Karriereleiter des Landgerichts erklommen, da er mit seinen genauen Fallvorbereitungen, seinen Umgangsformen vor Gericht und seiner Effizienz meist einen sehr guten Eindruck hinterließ. Er war ein schlanker, gepflegter junger Mann und stets makellos gekleidet. Es kam niemals vor, dass er sich seines schwarzen Sakkos entledigte, und er hatte nur eine kleine Auswahl an Krawatten, die er vor Gericht trug. Jetzt
beobachtete er Richard aufmerksam, den offenen Füller über einem weißen Blatt Papier gezückt.
    »Ja, Euer Ehren«, sagte Richard noch einmal und blickte zum Richterstuhl. Er hielt einen Moment lang inne, um sich zu sammeln. Sobald er glaubte, konzentriert genug zu sein, fuhr er fort: »Wir befürchten, dass sich mein Mandant weder angemessen auf diesen Gerichtstermin noch auf das bevorstehende Verfahren vorbereiten konnte und sich somit im Nachteil befindet. Wir wissen nämlich nicht, wer der Mann ist, den die Staatsanwaltschaft als ihren Augenzeugen bezeichnet, noch haben wir eine Ahnung, wie dessen Aussage genau aussehen wird. Euer Ehren, wenn ich Ihnen eine Kopie dieser Aufzeichnungen hier geben dürfte, dann werden Euer Ehren mit eigenen Augen sehen, was ich meine …«
    »Nein, Mr Calloway«, unterbrach ihn die Richterin scharf. »Sie dürfen mir zu diesem Zeitpunkt weder Aufzeichnungen noch Aussagen oder sonstige

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