Wüthrich, G: Dölf Ogi: So wa(h)r es!
Berner Waisenhausplatz ihrem Papi einfach mal Hallo sagen. Sie macht sich in der Pause immer wieder mal auf den Weg ins nahe Bundeshaus Nord, läuft freundlich grüssend an der Eingangspforte vorbei, direkt zu Weibel Andreas Bucheli, der, wann immer es geht, sofort die Tür zu Vaters Büro aufschliesst. Es kommt hin und wieder vor, dass Sekretärinnen oder persönliche Mitarbeiter bei ihrer Ankunft sanft hinauskomplimentiert werden: «Jetzt ist Caroline da!» Und am Montag gehen Vater und Tochter im ersten Stock im Berner Käfiggässchen meist zusammen Pizza essen. Dienstagabend holt der Vater, wenn immer möglich, Mathias vom Leichtathletik-Training beim Stadtturnverein Bern ab. Drunten in der Sportanlage Schönau, punkt 20.30 Uhr, vis-à-vis des Schöneggsteges beim Tierpark Dählhölzli. Es gilt eine klare Abmachung: Sollte Papi zehn Minuten später immer noch nicht da sein, ruft der Bub in der nahen Telefonzelle zu Hause an und macht sich auf den Heimweg mit Bus und Zug. Es habe meistens geklappt, erinnert sich der Vater, was jedoch am Vorabend der Bundesratssitzungen gar nicht immer so einfach gewesen sei.
Manchmal werden Caroline die vielen Gäste im Haus zu viel und sie zieht absichtlich den ältesten Pullover an, den sie im Schrank findet.
2011 Im Beisein der stolzen Eltern Carmen und Gennaro Stefanazzi sowie Katrin und Dölf Ogi findet in Sion die standesamtliche Heirat zwischen Caroline Ogi und Sylvain Stefanazzi statt.
Caroline weiss auch heute noch, dass der Vater während ihrer Schulzeit immer zu den Elternabenden gekommen sei. Einmal muss Adolf Ogi allerdings einen «Lehrerabend» veranstalten – und zwar einen, der es in sich hat. Mathias schreibt im Gymnasium gerne Aufsätze, teils wirklich gute Sportreportagen. Doch jedes Mal kommen die Schularbeiten voller roter Korrekturen zurück. Er kann schreiben, was er will, die Arbeiten sind immer röter als rot.
Dölf Ogi verlangt ein Gespräch mit dem Lehrer. Von einer Verkehrsministerkonferenz in Antalya, Türkei, fliegt er extra eine Stunde früher in die Schweiz zurück, damit er den wichtigen Termin ja nicht verpasst. Der Vater erinnert sich: «Ich habe dem Lehrer ganz anständig gesagt, dass ich es psychologisch nicht gut finde, wie er mit Mathias umgeht. Der Bub hat Freude am Schreiben. Wenn er als Lehrer ständig so demonstrativ den Rotstift ansetzt, verliert mein Sohn diesbezüglich jegliches Selbstvertrauen.»
Antwort des Lehrers: «Herr Bundesrat, Sie sind in der SVP. Darunter muss Ihr Sohn jetzt halt ein bisschen leiden.»
Unerhört! Ogi meint, nicht richtig gehört zu haben. Da sei er sehr laut geworden: «Das lasse ich mir von Ihnen nicht bieten, Herr Lehrer. Wir beide können unsere Kämpfe austragen, aber lassen Sie bitte meinen Sohn aus dem Spiel.»
Es sei nachher besser geworden.
Jetzt fehlt Mathias allen. Sie leiden auf unterschiedliche Weise. Für Caroline ist Mathias immer mehr als ein Bruder gewesen: «Care», hat er jeweils zu ihr gesagt, «mach das jetzt so, nicht anders.» Jetzt sagt er es nicht mehr. Vielleicht bestreitet sie Marathonläufe, damit sie ihn wieder mehr spüren kann. Jedenfalls ist der Vater davon überzeugt: «Sie rennt irgendwie für Mathias.»
Und die Mutter, die im Hintergrund immer für die Familie da war? Mathias wohnt bis zum Alter von 27 Jahren zu Hause. Er kommt noch während der Studienzeit nach Hause zum Essen. Das hat Mutter und Sohn zusammengeschweisst. Sie haben ein enges Verhältnis. Es fällt ihr heute noch schwer, über den Tod ihres Sohnes zu sprechen. «Ich habe damals die Hoffnung nie aufgegeben», sagt sie nur. Und fügt hinzu: «Es ist ein furchtbares Schicksal. Man kann lernen, damit umzugehen, aber ganz werde ich es nie verkraften. Ich leide unsagbar, Trauer und Schmerz bleiben.»
Was hat diese zurückhaltende Frau im Schatten alles getan!
Sie hat ihre Rolle akzeptiert, ihm den Rücken frei zu halten. Es habe manchmal schon viel «Feeling» von ihrer Seite her gebraucht, wenn er wieder einmal hundemüde nach Hause gekommen sei. Sie feiern ja im Jahre 2012 Rubinhochzeit – 40 Jahre Ehe. Es sei bis heute eine Ehe geblieben, die auf Achtung, Respekt, Toleranz und Vertrauen aufgebaut ist, sagt Katrin Ogi.
«Möge Friede, Freud und Sonnenschein diesem Haus beschieden sein.» Drei Generationen Ogi auf dem heimischen Balkon. 1995
Dölf Ogi besucht sein ehemaliges Primarschulzimmer in Kandersteg. 1992
Als Jurist war Mathias Ogi, begeisterter Leichtathlet und Panzergrenadier im
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