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Wunder wie diese

Wunder wie diese

Titel: Wunder wie diese Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Buzo
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Ersten Weltkrieg?«, fragte er mich mitleidig, als wäre ich ein großes Baby, das ich ja auch irgendwie war.
    »Ja«, antwortete ich leise.
    »Du solltest unbedingt Im Westen nichts Neues lesen. Ich bring’s dir am Dienstagabend mit, okay?«
    »Okay.«
    Er machte auf dem Absatz kehrt und ging zurück zu den anderen.
    Auf dem Nachhauseweg fluchte ich leise vor mich hin und ballte die Hände zu Fäusten. Als ich das Haus betrat, war alles ruhig und dunkel. Ich kramte nach der Nummer von Lizas Studenten-WG, nahm das Telefon mit ins Zimmer und wählte ihre Nummer.
    Es klingelte und klingelte, bis sich endlich eine Frauenstimme meldete, die vor dem Hintergrund extrem lauter Musik etwas unbeteiligt »Hallo?« sagte. Ich fragte mehrmals nach meiner Schwester, bis die Frau sich endlich erbarmte und sie suchen ging. Nach etwa fünf Minuten vernahm ich ein Knistern in der Leitung und kurz darauf Lizas Stimme.
    »Hallo?«
    »Lizey, ich bin’s.«
    »Hey, Zecke! Wie geht’s dir denn?«
    »Gut, gut. Hör mal, ich wollte wissen, was ›eine Tüte‹ ist?«
    Geheimnisvolle Stille.
    »Also, wenn jemand Tüten zu sich nimmt… Was könnte dann mit Tüten gemeint sein?«
    »Tüten sind Joints oder das Metallhütchen von ’ner Bong.«
    »Oh ja, na klar.«
    »Kapiert?«
    »Ja. Danke. Ich muss jetzt auflegen. Hab noch ganz viele Hausaufgaben auf. Bis dann.«
    Ich legte auf und saß reglos auf dem Bett. Dann wählte ich noch mal.
    »Lizey? Ich bin’s noch mal. Und was ist… was ist eine Bong?«
    »Eine Wasserpfeife, mit der man Dope raucht.«
    »Oh.«
    »Warum fragst du?«
    »Ähm…«
    »Willst du etwa damit anfangen?«
    »Nein, nein… überhaupt nicht.« So was von überhaupt nicht, dachte ich. Ich stand kurz davor, aber dann hab ich’s total vermasselt.
    »Also«, überlegte Liza, »wenn du es ausprobieren willst, komm doch mal am Wochenende vorbei und ich besorg dir was. Dann könnte ich dich im Auge behalten und die dazugehörige Moralpredigt halten.«
    »Danke. Vielleicht mach ich das mal.«
    »Die Moralpredigt wird dir gefallen.«
    »Bestimmt. Du fehlst mir.«
    »Ja… Du mir auch.«
    Lügnerin. Sie feierte dort oben die Party ihres Lebens. So viel war klar. Ich legte mich aufs Bett. Diese Erniedrigung, warum haben meine Eltern mich vor fünfzehn Jahren gezeugt? Hätten sie das nicht schon vor achtzehn Jahren machen können? Dann hätte ich wenigstens eine reelle Chance gehabt herauszufinden, wie es ist, eine Tüte reinzuziehen. Das wäre schon nett gewesen!
    In Sachen Lebensstil
    Für diejenigen, denen dieser Lebensstil fremd sein sollte, nur so viel: Man gewöhnt sich daran, kolossal und sinnlos verknallt zu sein. Wenn ich es Lebensstil nenne, meine ich damit nicht, dass es irgendwie schick oder erstrebenswert wäre. Eher, dass es so etwas wie ein Teil deines Alltags wird und dass dein Körper sich darauf einstellt, auf dieser Ebene zu funktionieren. Deine Freunde und Lehrer gewöhnen sich daran, dass du nur noch teilnahmslos aus dem Fenster starrst, wo du doch ansonsten munter und aufgeweckt warst. Du fängst an, aus allen möglichen Fenstern zu starren: den Klassenzimmerfenstern, den Busfenstern, deinem Schlafzimmerfenster, dem Fenster bei der Spüle in der Küche. Es hat unmittelbare Auswirkungen auf dein zentrales Nervensystem, wenn das Objekt deiner Begierde in der Nähe ist oder jeden Moment auftauchen könnte. Deine Sinne werden schärfer, vor allem das periphere Sehvermögen. Ich bin mir jeder von Chris’ Bewegungen auf der Arbeit äußerst bewusst. Ich nehme wahr, wenn er sich nähert, selbst wenn ich gerade eine Packung Bohnen untersuche, um zu sehen, ob es Sau- oder Stangenbohnen sind. Ich kann ganz genau sagen, mit welchen Mädchen er während seiner Schicht geredet hat. Ich erkenne anhand seiner Bewegungen, ob er nachdenklich oder ausgelassen drauf ist. Ich weiß genau, wann er sauer ist, weil Kathy wieder mit Stuart Green aus der Lebensmittelabteilung gequatscht hat. Ich weiß alles. Manchmal murmele ich leise seinen Namen vor mich hin, wie eine Irre.
    Ich bin dankbar für die zwanzig Minuten Heimweg nach der Arbeit, weil sie mir Gelegenheit geben, meine Muskeln wieder zu entspannen und mich von dem Stress zu erholen, den es mir bereitet, Chris dabei zuzusehen, wie er mit einer endlosen Riege an Konkurrentinnen flirtet.
    Zu der ständigen Bedrohung durch einen neuen Kathy-Virus-Befall (ich weiß gar nicht, weshalb ich es Bedrohung nenne – als ob ich überhaupt im Rennen wäre) und der lässigen

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