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Wunder

Wunder

Titel: Wunder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R.J. Palacio
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schon. Und vielleicht würde ihnen das auch eine Lektion mit auf den Weg geben.«
    »Glauben Sie mir: Dieser Eddie-Typ nimmt keine Lektionen an«, sagte ich sarkastisch.
    Er setzte sich hinter seinen Schreibtisch.
    »Auggie, warum nimmst du nicht einen Moment Platz?«, fragte er.
    Ich setzte mich hin. Die Sachen auf seinem Schreibtisch waren dieselben wie im vergangenen Sommer, als ich zum ersten Mal in sein Büro gekommen war: derselbe Spiegelwürfel, derselbe kleine Globus, der in der Luft hing. Es kam mir vor, als wäre es eine Ewigkeit her.
    »Kaum zu glauben, dass das Jahr fast um ist, hm?«, sagte er, als könne er meine Gedanken lesen.
    »Ja.«
    »Ist es ein gutes Jahr für dich gewesen, Auggie? War es okay?«
    »Ja, es ist gut gewesen.« Ich nickte.
    »Ich weiß, schulisch war es ein hervorragendes Jahr für dich. Du bist einer unserer besten Schüler. Herzlichen Glückwunsch dafür.«
    »Danke. Ja, das ist echt cool.«
    »Aber ich weiß, es gab auch einige Hoch- und Tiefpunkte«, sagte er mit hochgezogenen Augenbrauen. »Dieser Abend im Naturreservat war gewiss einer der Tiefpunkte.«
    »Ja.« Ich nickte. »Aber es war auch irgendwie gut.«
    »Inwiefern?«
    »Ja, wissen Sie, weil die anderen sich für mich eingesetzt haben und so.«
    »Das war ziemlich wunderbar«, sagte er und lächelte.
    »Ja.«
    »Ich weiß, dass es in der Schule auch mit Julian manchmal ein wenig haarig wurde.«
    Ich muss zugeben: Damit überraschte er mich.
    »Sie wissen davon?«, fragte ich ihn.
    »Middle-School-Leiter haben so eine Art, ziemlich viel zu wissen.«
    »Haben Sie so geheime Überwachungskameras auf den Fluren?«, sagte ich als Scherz.
    »Genau, und überall Mikrofone.« Er lachte.
    »Nein, ernsthaft?«
    Er lachte wieder. »Nein, nicht ernsthaft.«
    »Oh!«
    »Aber die Lehrer bekommen mehr mit, als die Schüler glauben, Auggie. Ich wünschte, du und Jack wärt wegen der gemeinen Zettel zu mir gekommen, die in eure Schließfächer gelegt wurden.«
    »Woher wissen Sie das denn?«, fragte ich.
    »Ich sag’s dir doch: Middle-School-Leiter wissen alles .«
    »Es war keine so große Sache«, erwiderte ich. »Und wir haben auch selber Zettel geschrieben.«
    Er lächelte. »Ich weiß nicht, ob es schon offiziell bekannt ist«, sagte er. »Aber es wird es auf jeden Fall bald sein: Julian Alban kommt nächstes Jahr nicht zur Beecher Prep zurück.«
    »Was?«, sagte ich. Ich konnte ehrlich nicht verbergen, wie überrascht ich war.
    »Seine Eltern glauben nicht, dass die Becher Prep gut zu ihm passt«, fuhr Mr. Pomann fort und hob seine Schultern.
    »Wow, das sind ja mal Neuigkeiten«, sagte ich.
    »Ja, ich dachte, du solltest das wissen.«
    Dann fiel mir plötzlich auf, dass das Kürbis-Porträt, das immer hinter seinem Schreibtisch gehangen hatte, nicht mehr da war und dass nun mein Selbstporträt als Tier , das ich für die Neujahrs-Ausstellung gemalt hatte, gerahmt hinter dem Tisch hing.
    »Hey, das ist ja meins!« Ich deutete darauf.
    Mr. Pomann drehte sich um, als wisse er nicht, wovon ich sprach. »Oh, stimmt!«, sagte er und schlug sich gegen die Stirn. »Ich wollte dir das eigentlich schon seit Monaten zeigen.«
    »Mein Selbstporträt als Ente.« Ich nickte.
    »Ich liebe dieses Bild, Auggie«, sagte er. »Als deine Kunstlehrerin es mir zeigte, habe ich sie gleich gefragt, ob ich es für meine Wand behalten könne. Ich hoffe, das ist okay für dich.«
    »Oh, ja! Klar. Was ist mit dem Kürbisporträt passiert?«
    »Direkt hinter dir.«
    »Oh, ja. Schön.«
    »Ich wollte dich schon, seit ich es aufgehängt habe, etwas fragen …«, sagte er und schaute es an. »Warum hast du dich als Ente dargestellt?«
    »Was meinen Sie?«, fragte ich. »Das war doch die Aufgabe.«
    »Ja, aber warum als Ente?«, sagte er. »Kann es sein, dass es wegen des Märchens war … ähm, von dem Entlein, das sich in einen Schwan verwandelt?«
    »Nein«, lachte ich und schüttelte den Kopf. »Ich finde einfach, dass ich wie eine Ente aussehe.«
    »Oh!«, sagte Mr. Pomann und bekam große Augen. Er fing an zu lachen. »Wirklich? Ha! Da suche ich nun nach Symbolen und Metaphern und, ähm … manchmal ist eine Ente einfach nur eine Ente!«
    »Ja, ich nehm’s an«, sagte ich und verstand nicht wirklich, was daran so lustig sein sollte. Er lachte bestimmt gute dreißig Sekunden vor sich hin.
    »Na, jedenfalls, Auggie, hab schönen Dank für das Gespräch«, sagte er schließlich. »Ich möchte nur, dass du weißt, dass es eine wirkliche Freude ist, dich

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