Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wunderbare Fahrten und Abenteuer der kleinen Dott

Wunderbare Fahrten und Abenteuer der kleinen Dott

Titel: Wunderbare Fahrten und Abenteuer der kleinen Dott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tamara Ramsay
Vom Netzwerk:
verklungen
war, erhob sich der Admiral und ging zur gegenüberliegenden Wand, wo seine
Fahne hing:
    Er nimmt seinen Helm und seine
Handschuhe, die dort noch immer aufbewahrt werden, ergreift seinen Degen und
geht langsam und feierlich an der Kleinen vorüber auf den Deich.
    Und während Gesang und Orgelspiel aus
der Kirche in die stürmische Nacht hinausdringen, schreitet seine mächtige
Gestalt in der schweren Eisenrüstung seinen Begleitern voran auf der Krone des
Deiches bis nach Lenzen und zurück in der Wische unten am Deich, bis er wieder
zur Kirche kommt.
    Die Kleine hatte alle Vorgänge mit
weitgeöffneten Augen verfolgt. Sie fürchtete sich nicht vor den Toten. Aber sie
wußte plötzlich, daß ein furchtbares Unglück über das Land kommen würde und daß
die toten Bauern in die Kirche gekommen waren, um für die Lebenden zu beten.
    Da aber brauste der Sturm so heftig
gegen sie an, daß sie geradezu in die Kirche hineingewirbelt wurde. Sie sah,
daß auch der Admiral in die Kirche zurückgekehrt war. Mit der ganzen Gemeinde
kniete er dort und sang das »Kyrie eleison — Herr, erbarme dich unser!«
    Auch die Kleine war niedergekniet und
sang, so gut sie konnte, im Chor mit. Sie merkte aber gar nicht, daß der Rote
Junge sie verlassen hatte und daß sie ganz allein unter den Toten in der Kirche
kniete.
    Plötzlich erlosch das Licht. Die kleine
Dott hörte noch um sich her ein eiliges Schreiten, dann vernahm sie von draußen
das laute Zuklappen der Sargdeckel und das Rieseln der Erde — das klang, als
wehte der Wind Sand und welke Blätter über die Gräber. Und dann war alles
totenstill...
    Als die Kleine erwachte, lag sie im
Sonnenschein am Abhang des Deiches.
    »Ich weiß nicht, ob ich geträumt habe«,
dachte sie. Aber sie erinnerte sich daran, daß die Bauern von Mödlich in den
vergangenen Jahrhunderten hin und wieder gesehen hatten, wie die Kirche in der
Nacht plötzlich von selbst im Kerzenlicht erstrahlt war, und daß sie ein
wunderbares Singen vernommen hatten. Sie sagten dann: »Der Admiral prüft die
Deiche!« Und sie begannen sofort, alle notwendigen Vorsichtsmaßregeln gegen
eine Überschwemmung zu treffen.

Gurian,
der Fischreiher
    ls die kleine Dott den mächtigen Strom wieder
so friedlich dahinziehen sah, fiel ihr auch das Gespräch mit dem Roten Jungen
wieder ein.
    »Ob er wohl wirklich fortgegangen ist?«
fragte sie sich. »Vielleicht hat er sich auch nur unsichtbar gemacht.
Jedenfalls werde ich nicht auf die Stelle treten, wo er gesessen hat, ich
könnte ihm sonst weh tun!«
    Die Kleine fand, daß sie nun lange
genug auf Gurian gewartet hatte. »Ich kann ja ebensogut ans Ufer gehen und das
Nest Gurians suchen.«
    Den Nistbaum Gurians zu finden war
nicht schwer. Keine hundert Meter hinter Mödlich sah sie im Vorland zwischen
Deich und Strom in einer alten Rüster das Reihernest, groß wie ein Wagenrad.
    Dott wußte von Gurian nur, daß er ein
Reiher war und ihr — vielleicht! — den Weg zu Frau Harke weisen konnte.
    Gurian aber war nicht wie alle anderen
Reiher. Er war einer der schönsten und unerschrockensten Reiher der Mark. Als
im Frühjahr, auf dem Heimflug des großen Reiherschwarms aus Afrika, der
Leitvogel im Schneesturm an einem Felsen zerschellte, da war es Gurian gewesen,
der den Schwarm sicher in die märkische Heimat geleitete.
    Seitdem ist Gurian der Leitvogel der
märkischen Reiher. Ein Meister des Fluges ist Gurian. Lässig fliegt er dahin
mit stolz zurückgebogenem Hals. Weiß wie Schnee ist seine Stirn, und seine
unvergleichlich scharfen Augen leuchten wie Bernsteingold. Wie Perlen liegen
die dreifachen Reihen der schwarzen Federtupfen auf dem weißen, seidenweichen
Hals und auf der Brust. Ein Busch lockerer, daunenweicher, schneeweißer Federn
wogt über dem Kropf. Über den aschgrauen Rücken aber sind die weißen
Fahnenfedern wie silberne Strahlen gebreitet, und handlang flattern die
kostbaren Zierfedern seines Kopfes im Wind.
    Von der Schönheit eines Reihers konnte
Dott allerdings nichts wahrnehmen, als sie die dicken Köpfe der Jungen an den
langen Hälsen über den Nestrand ragen sah. Im geheimen fand sie, daß sie
Glotzaugen hatten und mit ihren aufrechtstehenden steifen Federn auf dem Kopf
ein bißchen komisch aussahen.
    Aber über ein Tier lachen, das wollte
sie nach ihrem Erlebnis im Walde mit den Vögeln doch lieber nicht! »Sie werden
sich wohl noch zurechtwachsen«, meinte sie. »Aber wo soll ich mich denn nur
hier unter dem Baum hinsetzen zwischen all dem

Weitere Kostenlose Bücher