Wunderbare Fahrten und Abenteuer der kleinen Dott
Gestrüpp? Es riecht hier auch
nicht gerade sehr gut! Das kommt wohl daher, daß die Vögel die Fischreste
einfach über den Nestrand werfen. Aber wo sollen sie auch sonst hin mit ihren
Abfällen? — Ich werde mich jetzt einfach in die Pferdewiese legen und auf
Gurian warten.«
Aus dem Wipfel der Rüster hörte Dott
von Zeit zu Zeit ein unwilliges Kreischen und hinter sich das Stampfen der
Pferde in der Koppel und ihr einförmiges Rupfen des Grases. In der Sommerstille
wäre sie vielleicht wieder eingeschlafen, wenn nicht das Zanken und Kreischen
der jungen Reiher im Nistbaum gewesen wäre.
»Ich glaube, sie meinen mich!«
überlegte Dott. »Sie sollten sich lieber nicht so weit über den Nestrand
schieben, sonst...«
Plötzlich ertönte ein ärgerlicher
Schrei aus dem Wipfel der Rüster, ein Brechen von Zweigen, ein Poltern und
Rauschen. Die Kleine sah, wie gerade vor ihr ein großes braunes Bündel sich
überschlug und gleich einem flatternden Lappen ins Wasser fiel. Im selben
Augenblick schoß ein langgestrecktes, braunes Tier aus dem Weidengebüsch und
glitt geschmeidig wie eine Schlange auf das Bündel zu.
Ohne zu überlegen war Dott sofort ins
Wasser gesprungen, hatte das Bündel gepackt und setzte eben einen Fuß ans Land,
als ihr Bein dicht über dem Knöchel wie in einem Schraubstock eingeklemmt
wurde. Sie preßte das zappelnde Vogeljunge fest gegen ihre Brust und warf einen
Blick nach unten. Da sah sie, daß der dickpelzige, lange braune Fischotter, der
wie eine Schlange durch das Wasser geschossen war, sich in ihrem Bein
festgebissen hatte. Sie schlug mit ihrem freien Fuß gegen den flachen Kopf des
Otters und schwang sich mit dem Jungen rund im Kreise, um frei zu werden. Nach
kurzer Zeit fühlte sie auch, wie der Griff an ihrem Bein sich lockerte, und
sah, wie der Otter lautlos im Weidendickicht verschwand.
»Das hätte gefährlich werden können!«
sagte die kleine Dott, und dann sah sie das ungefüge, schwere Vogeljunge an. Es
war größer als ein Huhn und schlug heftig mit seinen starken Beinen und Flügeln
um sich.
»Du brauchst doch keine Angst mehr zu
haben«, sagte Dott.
»Angst? Vor Blumbo, dem Fischotter, der
von unseren Abfällen lebt?« brüllte das Junge. »Laß mich sofort los!«
Dott wußte nicht, was sie tun sollte,
sie fürchtete, das Junge könnte wieder ins Wasser springen, aber sie konnte es
auch nicht länger halten, da es in ihre Arme und Hände hackte.
Da setzte sie das Junge, so weit sie
konnte, ins Weidengebüsch hinein. Und kaum hatte sie es losgelassen, als es
sich zu ihrem Erstaunen mit Krallen und Schnabel an den Zweigen festhielt und
triefend naß, mit Krächzen und Schimpfen weiterkletterte, bis zur Rüster und
bis in ihre höchsten Zweige hinauf.
»Du weißt dir zu helfen!« lachte Dott.
Wie sie sich aber umsah, erblickte sie einen schönen, großen Vogel, der gerade
auf sie zusegelte. »Der Storch!« dachte sie, dann aber merkte sie, daß,er zwar
unten weiß war und auch schwarze Flügelenden hatte, daß sein Gefieder aber auf
dem Rücken und auf den Flügeln schiefergrau war und daß er auf dem Kopf eine
stolze Feder trug. — Da wußte sie, daß Gurian, der Fischreiher, auf sie
zugeflogen kam.
Er ließ sich neben ihr im Gras nieder
und verneigte sich.
»Ich habe alles von oben gesehen«,
sagte er. »Es war mir aber nicht möglich, schnell genug zu kommen. Ohne dich
wäre Ardea, mein Ältestes, nicht mehr am Leben. Das wird dir Gurian, der
Fischreiher, nicht vergessen.«
Als er sich wieder vor Dott verneigte,
sah er, daß ihr linkes Bein blutete und daß auch im Gras Blutspuren waren.
Sofort flog er auf den Baum hinauf, packte das gerettete Junge und schleppte es
wieder ans Ufer, wo er ihm drei kräftige Schnabelhiebe versetzte.
»Der erste ist für deinen Ungehorsam«,
sagte er. »Der zweite für die Angst, die du mir bereitet hast! — Der dritte
aber, damit du nie vergißt, daß ein Menschenjunges dich gerettet hat und für
dich blutete.«
Kleinlaut hockte Ardea, der Jungreiher,
im Gras und schielte von der Seite zu Dott hinüber, die zum Ufer lief, um die
Wunde mit ihrem Taschentuch auszuwaschen und zu verbinden. Als sie die Arbeit
beendet hatte und sich umblickte, war der schöne Vogel mit seinem Jungen
verschwunden.
»Er wird sicher wiederkommen«, dachte
Dott und begann mit den Vorbereitungen für ihr Mahl. Jetzt hatte sie nichts
mehr, was sie kochen konnte, aber sie pflückte einige Sauerampferblätter auf
der Wiese, zerhackte sie auf einem Stein
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