Wunschkonzert: Roman (German Edition)
meinem.
»Kleine Planänderung, Leute«, ruft er dann in sein Mikrofon. Ich merke, wie ich aus dem Stand weiche Knie bekomme. »Wir möchten jetzt ein Lied spielen, das wir erst vor kurzem aufgenommen haben. Und das für einen ganz besonderen Menschen ist.« Noch immer sieht Tim mich an – und nun sind meine Knie nicht mehr weich, sie sind Pudding!
Die Band beginnt zu spielen, Geigen und Klavier erklingen, eine gefühlvolle Ballade im 6/8-Takt, eine Mischung aus Soul, Blues und Walzer. Sofort beginnt mein Herz zu rasen, und aus den Augenwinkeln sehe ich im Publikum schon nach den ersten Tönen jede Menge Feuerzeuge aufflackern, hier und da sprüht sogar eine Wunderkerze Funken. Als Tim dann anfängt zu singen, ist es mit meiner Beherrschung komplett vorbei. Ich weine. Alle meine Ex-Kollegen sehen es. Und es ist mir piepegal.
Was ist mit dir los – was bist du so scheu?
Wir kennen uns seit Jahren
Doch das ist mir neu
Wo siehst du denn hin
Sieh mich doch an – ich bin hier
Was hast du gesagt
Ich kann dich nicht hören
Komm doch mal näher
Wer soll uns hier stören
Sag mir, was los ist
Sag es mir jetzt – ich bin hier
Mir wird schwindelig, der Song geht mir durch Mark und Bein, vor allem, weil Tim mich beim Singen nicht eine einzige Sekunde lang aus den Augen lässt und mich so unglaublich zärtlich ansieht, wie mich noch nie jemand angesehen hat. Als er zum Refrain kommt, laufen mir die Tränen endgültig vollkommen ungehemmt übers Gesicht.
Du sagst, du musst los
Du sagst, du musst gehen
Doch vor meiner Tür bleibst du stundenlang stehen
Du sagst, es ist nichts
Doch wenn das nichts ist
Was ist dann Liebe?
Deine Augen verschwimmen
Deine Stimme versagt
Ich frag dich, was los ist, doch du wendest dich ab
Du sagst, es ist nichts
Doch wenn das nichts ist
Was ist dann Liebe?
Was ist dann Liebe?
Ich weiß nicht, wann ich das letzte Mal einen so schönen Song mit einem derart berührenden Text gehört habe. Zumal mir sofort klar ist: Dieses Lied hat Tim für mich geschrieben! Nur für mich. Noch nie im Leben hat mir jemand so etwas Unglaubliches geschenkt. Auch das Publikum johlt und applaudiert begeistert. Da ist er, der Funke, auf den hier alle so lange gewartet haben!
Während Tim die letzten Zeilen des Refrains singt, streckt er mir mit einem Mal von der Bühne aus die Hand entgegen. »Komm hoch zu mir, Stella«, sagt er. Aus einem Grund, den ich selbst nicht ganz verstehe – ich muss komplett neben der Spur sein –, zögere ich keine Sekunde. Ich gehe an den Rand der Bühne, ergreife die Hand von Tim, der mich unter dem Pfeifen und Klatschen des Publikums zu sich hochzieht.
Kaum weiß ich, wie mir geschieht, da schiebt er mich schon ans Mikrofon, während mir eines der anderen Bandmitglieder einen Zettel mit dem Text in die Hand drückt. Bevor mich noch irgendwelche Skrupel heimsuchen können, legt Tim einen Arm um meine Taille und nickt mir auffordernd zu. Ich schließe die Augen und fange an zu singen – und es haut mich beinahe selbst um, wie klar und deutlich meine Stimme den Saal erfüllt:
Du musst dich nicht schämen – für das, was du fühlst
So ist das Leben: Es läuft, wie es will
Sag mir, was los ist – Sag es mir jetzt – Ich bin hier
Was soll schon passieren – Bring es ans Licht
Ich fühl doch genauso – du weißt es nur nicht
Sag mir, was los ist – Vor mir hast du nichts zu verlieren
Was ist dann Liebe (04:41)
Audiodatei: Was ist dann Liebe? (04:41)
Noch einmal singen Tim und ich zusammen den Refrain, der Saal ist mittlerweile nur noch ein einziges Flammenmeer, mein Herz klopft so laut, dass es jeden Moment aus meiner Brust springen muss. Es ist schön, es ist so überwältigend schön, hier auf dieser Bühne Arm in Arm mit Tim zu stehen und zu singen. Wenn ich gleich tot umfalle, macht es nichts, denn ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, jemals wieder ein so unglaubliches Gefühl erleben zu dürfen wie in diesem Moment.
Die letzten Takte verklingen, Tim legt seine Gitarre ab und zieht mich mit einer schnellen Bewegung ganz dicht an seine Brust. Ich lege meinen Kopf an seine Schulter und genieße es, ihm so nah zu sein. Das Publikum tobt vor Begeisterung, kriegt sich gar nicht wieder ein. Dann legt Tim eine Hand unter mein Kinn, hebt meinen Kopf und sieht mich zärtlich an.
»Ich liebe dich, Stella Wundermann«, flüstert er in mein Ohr.
»Und was ist mit Lucy-Lou?«, will ich wissen. Er lächelt.
»Das ist nichts,
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