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Wuppertod

Wuppertod

Titel: Wuppertod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Schmidt
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zu.
    Stefan machte eine
Faust in der Tasche und versuchte, die Geste des Regisseurs zu
übersehen.
    »Stimmt«,
nickte Eckhardt und winkte ab. »Also«, sagte er dann
und lächelte Stefan und Heike an. »Herr Tickmann ist
hier bei uns, weil er unsere Hilfe benötigt. Er sucht ein
neues Gesicht, nachdem sein Hauptdarsteller letzte Nacht
kaltblütig erschossen wurde.«
    Stefan räusperte
sich. »Also hier werden Sie kein geeignetes Gesicht finden
… es sei denn, Sie produzieren einen
Gruselfilm.«
    Heike prustete los,
murmelte eine Entschuldigung und blickte verlegen und mit hochrotem
Kopf auf ihre Schuhe. Den strafenden Blick von Michael Eckhardt
übersah sie. »Aber mal im Ernst, wer möchte die
Rolle von Tim Heiger übernehmen, einem Schauspieler, der -
vielleicht - wegen genau dieser Rolle getötet
wurde?«
    Daran hatte Eckhardt
noch nicht gedacht, das war aber auch kein Thema für ihn
gewesen. »Herr Tickmann hatte an etwas anderes
gedacht«, bemerkte er. Damit richteten sich drei Augenpaare
auf Tickmann. Doch bevor dieser sein Anliegen darlegen konnte,
erschien Beate auf der Bildfläche, errötete prompt, als
sie den bekannten Regisseur erkannte, murmelte einen Gruß,
schenkte Kaffee ein und verschwand ganz unauffällig wieder aus
dem Büro des Chefs. Tickmann starrte ihr unverhohlen auf den
Hintern, der durch den knappen Minirock erst richtig zur Geltung
kam. Er schien kein Kostverächter zu sein, was das andere
Geschlecht betraf. Ein Umstand, der Stefan nicht behagte,
insbesondere, weil Tickmann auch Heike anbaggerte.
    »Ein
Casting«, nannte Tickmann das Kind nun beim Namen. Er pustete
in seinen Kaffee und trank vorsichtig.
    Stefan nickte
verstehend. Er konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen, als er
anmerkte: »So was kennen wir ja schon. Beim Casting werden
Superstars gebaut. Geklont, gezeugt, was auch immer. Eine neue
Casting-Show, diesmal im Radio.« Er zog anerkennend die
Mundwinkel nach unten und nickte Heike zu. »Nicht
schlecht.«
    »So falsch
liegen Sie gar nicht, Seiler.« Eckhardt stieß sich vom
Schreibtisch ab und wanderte durch das Büro. Er trat an das
große Fenster, blickte scheinbar gedankenverloren
hinüber zur Wupper, die im Sonnenschein glitzerte, und
betrachtete das lindgrüne Gerüst der Schwebebahn, so, als
würde er das alles zum ersten Mal sehen. Als eine der
orange-blauen Bahnen vorüberratterte, wandte er sich wieder
seinen Besuchern zu. »Wir werden ein Casting veranstalten. An
einem Ort, den jeder Wuppertaler kennt. Die Börse, das
Brauhaus, was weiß ich. Villa Media. Allein wegen des
Namens«, fügte er lächelnd hinzu, ging zu seinem
Schreibtisch, ergriff die Tasse und trank einen Schluck.
    »Wie stellen Sie
sich das genau vor?«, wandte sich Heike an Tickmann, der dem
Vortrag Eckhardts schweigend gelauscht hatte.
    »Nun«,
sagte dieser und betrachtete seine Gastgeber. »Wie Herr
Eckhardt schon sagte, benötige ich für Tim Heiger
schnellstens einen Ersatz. Am besten einen jungen Wuppertaler,
ein unverbrauchtes Gesicht. Ich will
offen zu Ihnen sein: Mein Produzent dreht mir den Geldhahn zu, wenn
das Projekt nicht weitergeht. Jeder Tag Drehpause kostet ein
kleines Vermögen. Und Sie haben hier im Sender die
Möglichkeit, viele Wuppertaler schnellstmöglich zu
erreichen. Schalten Sie Werbespots, rühren Sie die
Werbetrommel, wo immer es geht.«
    »Das wird nicht
ganz billig«, wagte Stefan einen Einwand und fing sich von
Eckhardt einen vernichtenden Blick ein.
    »Wir erhalten im
Gegensatz dazu Werbung von der gesamten Filmbranche. Ein derartiges
Projekt hat es bislang noch nie gegeben.«
    »Die Konkurrenz
wird sich bedanken«, entfuhr es Heike.
    »Das will ich
hoffen.« Eckhardt rieb sich freudig die
Hände.         
    »Und Sie werden
mit in der Jury sitzen.« Tickmann deutete mit dem Zeigefinger
erst auf Heike, dann auf Stefan.
    Letzterer blickte ihn
zweifelnd an. »Ich heiße aber nicht Bohlen«,
brummte er. »Außerdem habe ich keine Ahnung vom
Schauspiel. Es wird für mich schwer sein, einen guten von
einem durchschnittlichen Mimen zu unterscheiden.«
    »Wir brauchen
einen überdurchschnittlich guten Jungdarsteller«,
korrigierte Tickmann und nippte an seinem Kaffee. »Und keine
Angst: Mit Ihnen werden natürlich Profis in der Jury sitzen.
Außerdem: Wer sagt denn, dass Ihr Kollege Bug Ahnung von
Musik hatte, als er in der Jury für den Superstar
saß?«
    * * *
    »Das darf nicht
wahr sein!«, schimpfte Heike. Sie ließ sichi vor ihrem
Schreibtisch in der Redaktion

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