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geistesabwesend, wortkarg. Es paßte alles zusammen. Er war bereit, jede Wette einzugehen, daß er diesmal richtig lag. Southampton Terrace 42 – sieh mal einer an, was es doch alles gab. Ainley hatte sich also heimlich mit einer Geliebten getroffen, wahrscheinlich jedenfalls.
Kapitel Vier
Soweit ich feststellen konnte, hatten sie nichts miteina n der gemein, außer, daß jeder des anderen Nachfolger war
Peter Champkin
Am Montag nach Stranges Unterredung mit Morse gingen an verschiedenen, zum Teil weit voneinander entfernt liegenden Orten des Vereinigten Königreichs vier in keiner Weise bemerkenswerte Leute jeweils unterschiedlichen privaten oder beruflichen Beschäftigungen nach. Was ihre Berufe anging, so waren auch sie nicht besonders bemerkenswert oder interessant – den einen oder anderen hätte man zu Recht stumpfsinnig nennen können. Jeder der vier war mit den übrigen dreien mehr oder weniger gut bekannt, obwohl zumindest einer auf die Bekanntschaft mit einem bestimmten anderen nur zu gern verzichtet hätte, falls das noch möglich gewesen wäre. Ironischerweise sollte ungeachtet der Tatsache, daß sie im Ganzen gesehen mehr trennte als verband, ausgerechnet der eine Punkt, der ihnen gemeinsam war, plötzlich eine solche Bedeutung erlangen, daß sie für kurze Zeit ein Schicksal teilten: sie alle gerieten in den kommenden Wochen – jeder auf seine Art, doch gleichermaßen unausweichlich – ins Netz polizeilicher Ermittlungen. Denn gemeinsam war ihnen, daß sie alle vier mehr oder weniger gut mit Valerie Taylor bekannt gewesen waren.
Baines war seit ihrer Eröffnung vor drei Jahren stellvertretender Schulleiter der Roger-Bacon-Gesamtschule. Das Gebäude, in dem sie untergebracht war, hatte zuvor eine Hauptschule beherbergt, in der er Konrektor gewesen war. Diese hatte auf Grund des weisen oder auch nicht so weisen Ratschlusses der Schulbehörde von Oxfordshire (Baines mochte sich da nicht festlegen), die meinte, auf die Schulsituation im allgemeinen und Kidlingtons im besonderen reagieren zu müssen, ihre frühere Selbständigkeit verloren und war in der Roger-Bacon-Gesamtschule aufgegangen. Heute war der letzte Tag der Sommerferien, und morgen, Dienstag, den 16. September, würden die Schüler, nachdem sie sich sechseinhalb Wochen hatten ausruhen dürfen, wieder in die Schule zurückkehren. Während viele seiner Kollegen Erholung auf dem Kontinent gesucht hatten, war es Baines überlassen geblieben, sich mit der Erstellung des Stundenplans herumzuschlagen, einer überaus komplexen Aufgabe, die Jahr für Jahr zunächst unlösbar schien und auf Grund eines ungeschriebenen Gesetzes traditionsgemäß in den Zuständigkeitsbereich des stellvertretenden Schulleiters fiel. Baines hatte sich in der Vergangenheit dieser Pflicht allerdings sehr bereitwillig unterzogen. Das vielfältige Fächerangebot des Lehrplans so zu organisieren, daß eine optimale Wahlmöglichkeit gewährleistet war und dabei gleichzeitig den Wünschen und Vorlieben und – nicht zu vergessen – Fähigkeiten der zur Verfugung stehenden Lehrer Rechnung zu tragen, erlebte er als eine Art intellektueller Herausforderung, der er sich um so lieber stellte, als ihm die Gelegenheit, innerhalb des gegebenen Rahmens nach eigenem Gutdünken frei schalten und walten zu können, auch ein Gefühl von Macht gab, das ihn für so manches entschädigte. Denn Baines täuschte sich nicht länger darüber, daß er zu den Verlierern zählte – der ewige zweite, der nie Gewinner sein würde. Er war Mathematiker, Mitte Fünfzig, unverheiratet. Mehr als einmal hatte er sich während der vergangenen Jahre um einen Direktorenposten beworben. Zweimal hatten sie ihn fast genommen. Seine letzte Bewerbung lag dreieinhalb Jahre zurück. Damals war hier an der Roger-Bacon-Gesamtschule die Stelle des Direktors zu besetzen gewesen. Er hatte das Gefühl gehabt, dies sei noch einmal eine ganz große Möglichkeit. Doch hatte hinter seiner Hoffnung schon die Einsicht gelauert, daß seine besten Jahre vorbei waren und diese Chance für ihn zu spät kam. Warum die Wahl dann ausgerechnet auf Phillipson, den jetzigen Direktor, gefallen war, hatte er aber auch nicht einsehen können. Jedenfalls damals nicht. Erst vierunddreißig und darauf versessen, sofort alles anders zu machen, als ob jede Veränderung notwendig eine Veränderung zum Besseren wäre. Aber im Laufe der Zeit, vor allem während des vergangenen Jahres, hatte er begonnen, Phillipson zu akzeptieren,
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