. . . Wurde Sie Zuletzt Gesehen
alles andere als erholsam gewesen – Regen, zwei Reifenpannen, eine verlorene Scheckkarte und wieder Regen, Regen und nochmals Regen. Bevor morgen die Schule anfing, gab es noch eine Menge für ihn zu tun. Als erstes mußte er sich um den Rasen kümmern. Im Gegensatz zu ihnen hatten dem die sturzbachartigen Regenfälle der letzten Wochen offensichtlich gutgetan, das Gras hatte während ihrer Abwesenheit eine geradezu beängstigende Höhe erreicht und mußte dringend gemäht werden. Gegen halb zehn, er wollte sich gerade ans Werk machen, stellte er fest, daß der Stecker des Verlängerungskabels offenbar einen Wackelkontakt hatte. Seufzend holte er sich einen Schraubenzieher, setzte sich auf die Steinstufen hinter der Küche und begann, ihn auseinanderzunehmen.
Es hätte ihn auch gewundert, wenn es nicht irgendwelche Probleme gegeben hätte. Für David Acum – bis vor zwei Jahren schlechtbezahlter Französischlehrer an der Roger-Bacon-Gesamtschule und seither in derselben Funktion und noch immer unzulänglich bezahlt am Städtischen Gymnasium von Caernarvon tätig – war sein Leben, so lange er zurückdenken konnte, immer von irgendwelchen Mißgeschicken begleitet gewesen.
Er konnte den Defekt nicht finden, gab es schließlich auf und ging zurück ins Haus. Drinnen war alles still. Am Fuß der Treppe brüllte er mit gereizter Stimme nach oben: »Eeh, findest du nicht, du könntest langsam mal aufstehen?«
Als ob ihn die Anstrengung erschöpft hätte, drehte er sich um und verschwand in der Küche. Er setzte sich an den Tisch, wo er vor einer halben Stunde ein einsames Frühstück eingenommen hatte, und stützte mißmutig den Kopf in die Hände. Der Tag fing ja gut an.
Sie ließ ihn allein aufstehen, bekam von ihm sogar noch das Frühstück ans Bett gebracht und rührte sich immer noch nicht. Lustlos machte er sich erneut an dem kaputten Stecker zu schaffen. Zehn Minuten später kam sie in Morgenrock und Pantoffeln herunter.
»Warum ziehst du denn so ’ne Flappe?«
»Vielleicht machst du mal die Augen auf, dann brauchst du nicht so blöde Fragen zu stellen! Der Scheißstecker hier hat einen Wackelkontakt. Wahrscheinlich hast du letztes Mal beim Staubsaugen an der Verlängerungsschnur herumgerissen. So selten, wie du saugst, ist es bestimmt schon eine ganze Weile her, und du weißt es schon gar nicht mehr.«
Wider Willen fasziniert sah er ihr zu, wie sie mit einer raschen Kopfbewegung die langen blonden Haare zurückwarf, mit wenigen geschickten Handgriffen den Stecker auseinandernahm und einen fachmännischen Blick auf die blanken Kontakte warf. Sie war jünger als er, wesentlich jünger, hatte es den Anschein, und noch immer erlag er jeden Tag aufs neue ihrem Reiz. War seine Entscheidung damals richtig gewesen? Er hatte sich die Frage schon oft gestellt, ohne je zu einer endgültigen Antwort zu kommen. Doch er bereute nichts.
Sie hatte den Fehler rasch entdeckt und brachte den Stecker im Handumdrehen wieder in Ordnung. Acum spürte, wie seine schlechte Laune wich.
»Möchtest du eine Tasse Kaffee?« fragte sie, ganz strahlendes Lächeln und Fürsorglichkeit.
»Nein, jetzt nicht. Ich will heute vormittag noch was schaffen.« Er warf einen Blick nach draußen auf das wild in die Höhe geschossene Gras und stieß einen leisen Fluch aus, als in diesem Moment erste feine Regentropfen die Scheibe hinunterliefen.
Die Frau trat aus einer Tür im Erdgeschoß. Sie war nicht mehr ganz jung, nachlässig gekleidet und hatte ein paar dicke Lockenwickler im strähnigen Haar. Der junge Mann, der die Treppe heruntergepoltert kam, wollte schnell an ihr vorbei, doch sie stellte sich ihm in den Weg.
»Ich will mit dir reden.«
»Aber doch nicht jetzt, mein Schatz. Ich muß mich sowieso schon ranhalten, damit ich rechtzeitig da bin.«
»So viel Zeit wirst du schon noch haben, sonst brauchst du heute abend erst gar nicht wieder hier zu erscheinen. Dein Gelumpe kannst du dir dann draußen vor der Tür aufsammeln.«
»Nun reg dich doch nicht gleich so auf!« Er trat dicht an sie heran und legte die Hände auf ihre Schultern. »Was hast du denn auf einmal?« Er lächelte sein gewinnendstes Lächeln und zauberte einen Ausdruck von Aufrichtigkeit und Anteilnahme in seine dunklen Augen, der sie besänftigen sollte. Aber sie fiel nicht mehr auf ihn herein.
»Du hast ein Mädchen bei dir oben.«
»Aber deswegen brauchst du doch nicht eifersüchtig zu sein.«
Er wurde ihr auf einmal widerlich, und sie bedauerte, sich mit
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