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. . . Wurde Sie Zuletzt Gesehen

. . . Wurde Sie Zuletzt Gesehen

Titel: . . . Wurde Sie Zuletzt Gesehen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Dexter
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einem Hinweisschild mit der Aufschrift FAHRKARTEN / BÜFFET blieben sie stehen und sahen sich an. Es nieselte immer noch.
    »Darf ich Sie zu einem Drink einladen?« Es sollte beiläufig klingen.
    Sie nickte, »’ne Cola jetzt wär nicht schlecht.«
    Ihre Anspruchslosigkeit überraschte ihn. Er hätte erwartet, daß sie die Gelegenheit genutzt und einen Gin oder Wodka verlangt hätte, etwas, was sie sich sonst nicht leisten konnte. Aber was wollte sie dann?
    »Wirklich nur eine Cola?«
    »Ja, vielen Dank. Ich mag keinen Alkohol.«
    Sie betraten die Bahnhofsgaststätte. Er bestellte für sich einen doppelten Whisky und für sie eine Cola und zwanzig Benson&Hedges. »Für Sie.«
    Sie schien sich ehrlich zu freuen, riß die Packung gleich auf, zog eine Zigarette heraus und zündete sie an. An ihrer Cola nippte sie nur. Der Minutenzeiger an der großen Uhr über der Tür zu den Bahnsteigen rückte unerbittlich gegen halb vor. »Es wird Zeit, daß ich auf den Bahnsteig gehe. Also …« Er zögerte, griff dann entschlossen nach seiner Aktentasche, die er neben dem Stuhl abgestellt hatte. Er wandte sich ihr zu, und wieder trafen sich ihre Blicke. »Es war schön, mit Ihnen zusammenzusein. Vielleicht treffen wir uns eines Tages mal wieder.« Er stand auf. Sie sahen sich noch immer in die Augen. Jetzt zu gehen fiel ihm schwer.
    Sie lächelte ihn spitzbübisch an. »Ich wünschte, Sie müßten nicht fahren und wir könnten zusammen etwas anstellen. Sie nicht auch?«
    O Gott – ja, natürlich. Sein Atem ging plötzlich schneller, und sein Mund war auf einmal ganz trocken. Über den Lautsprecher kam die Ansage, daß der Zug, Abfahrt 8 Uhr 35, nach London / Bahnhof Paddington über Reading auf Gleis eins Einfahrt habe. Fahrgäste nach … Es rauschte an ihm vorbei. Er hätte jetzt lächelnd gestehen sollen, wie sehr auch ihm das gefallen würde, dann ein freundliches Kopfnicken, schon etwas distanziert, und mit drei, vier Schritten wäre er an der Tür gewesen, die zum Bahnsteig führte, wo sein Zug auf ihn wartete. Nur diese paar Schritte – und alles wäre anders gekommen. Nach Monaten und selbst noch Jahren sollte er immer wieder bitter mit sich ins Gericht gehen, daß er für diese wenigen, rettenden Schritte nicht die Kraft gehabt hatte.
    »Aber wo können wir denn hingehen?« hörte er sich fragen. Die Thermopylen lagen unbewacht, und die persischen Heermassen strömten ungehindert nach Griechenland ein.

Kapitel Eins
     
    Der Schönheit Fahne
    Weht purpurn noch auf Lipp’ und Wange dir,
    Hier pflanzte nicht der Tod sein bleiches Banner
    Shakespeare, Romeo und Julia, 5. Aufzug, 3. Szene
     
    Dreieinhalb Jahre später saßen sich in einem Büro zwei Männer gegenüber.
    »Sie haben die Akten. Mit dem vorhandenen Material sollte sich etwas anfangen lassen.«
    »Ihm scheint es aber nicht weitergeholfen zu haben.« Morses sarkastischer Ton brachte deutlich zum Ausdruck, was er von der ganzen Sache hielt.
    »Vielleicht hat er erfahren, was zu erfahren war.«
    »Sie meinen, sie sei von zu Hause weggelaufen, und damit hätte sich’s?«
    »Wäre doch denkbar.«
    »Und was erwarten Sie jetzt von mir? Wo nicht mal Ainley sie gefunden hat?«
    Chief Superintendent Strange gab nicht gleich eine Antwort, sondern sah an Morse vorbei auf die mit roten und grünen Aktenordnern vollgestopften Regale.
    »Stimmt«, sagte er schließlich, »er hat sie nicht gefunden.«
    »Und er hat den Fall von Anfang an bearbeitet.«
    »Von Anfang an«, sagte Strange.
    »Und ist keinen Schritt vorangekommen.« Strange schwieg.
    »Dabei verstand er etwas von seiner Arbeit«, sagte Morse nachdrücklich und fragte sich im nächsten Moment, warum zum Teufel er sich überhaupt darauf eingelassen hatte, mit Strange zu argumentieren. In seinen Augen war das Ganze ohnehin nicht Angelegenheit der Polizei. Da war eines Tages ein Mädchen von zu Hause weggelaufen und danach nicht mehr gesehen worden. Na und? Jahr für Jahr liefen Hunderte von Mädchen von zu Hause weg. Die meisten meldeten sich früher oder später, wenn der Reiz des Neuen verflogen war und das Geld knapp wurde, und kamen wieder zurück. Es gab allerdings auch einige, von denen hörte man nichts mehr, zugegeben. Und für die, die daheim vergeblich auf sie warteten, brachte jeder Tag neuen Schmerz. Ja, einige kamen nie mehr zurück.
    Stranges Frage unterbrach seinen melancholischen Gedankengang. »Sie übernehmen also den Fall?«
    »Hören Sie, wenn Ainley …«
    »Nein, Sie hören!« blaffte

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