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. . . Wurde Sie Zuletzt Gesehen

. . . Wurde Sie Zuletzt Gesehen

Titel: . . . Wurde Sie Zuletzt Gesehen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Dexter
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Strange. »Ainley war ein verdammt besserer Polizist, als Sie es jemals sein werden. Und genau aus diesem Grund, gerade weil Sie in vielerlei Hinsicht kein guter Polizist sind, habe ich mich entschlossen, Ihnen den Fall zu übertragen. Sie mit Ihrer sogenannten Intuition und … ach, ich weiß nicht, wie ich es nennen soll.«
    Aber Morse war schon klar, was er meinte. In gewisser Weise hätte es ihn freuen können. Vielleicht tat es das sogar ein bißchen.
    Aber andererseits – zwei Jahre! »Der Fall ist doch längst gestorben, Sir, das wissen Sie selbst. Die Leute vergessen. Und das ist gut so. Für manche ist das Vergessenkönnen geradezu lebensnotwendig. Zwei Jahre sind eine lange Zeit.«
    »Zwei Jahre, drei Monate und zwei Tage«, präzisierte Strange.
    Morse stützte das Kinn in die Linke und rieb sich mit dem Zeigefinger einen Nasenflügel. Durch das offene Fenster sah er auf die Betondecke des Innenhofes. Hier und dort sprossen vereinzelt Grashalme. Ein kleines Wunder. Ob sie sich wirklich durch den harten Beton drängten? Sichere Methode, eine Leiche verschwinden zu lassen – unter Beton. Außerdem schön einfach. Man brauchte bloß … »Sie ist tot«, sagte er.
    Strange sah ihn an. »Was bringt Sie zu der Behauptung?«
    »Das kann ich nicht so genau sagen. Aber wenn es all die Jahre nicht gelungen ist, sie zu finden, nun, ich denke, da liegt die Vermutung nahe, daß sie nicht mehr am Leben ist. Einen Toten zu verstecken ist schon schwer, aber einen lebenden Menschen noch ungleich schwerer. Er liegt ja nicht nur da, sondern steht auf, geht umher, begegnet anderen Leuten. Nein, ich nehme an, sie ist tot.«
    »Ainley war auch dieser Ansicht.«
    »Und Sie?«
    Strange zögerte einen Augenblick. »Ich habe seine Ansicht geteilt.«
    »Dann hat er also die Sache in Wirklichkeit als Mordfall behandelt?«
    »Offiziell nicht – nein. Da hat er sich an die vorliegenden Fakten gehalten. Das heißt, er hat nach einem als vermißt gemeldeten Mädchen gesucht.«
    »Und inoffiziell?«
    Strange zögerte erneut. »Ainley ist mehrere Male bei mir gewesen wegen des Falles. Er muß ihn sehr beschäftigt haben. Es gab da einige Aspekte, die ihn, nun, sagen wir mal, beunruhigten.«
    Morse sah verstohlen auf die Uhr. Zehn nach fünf. Die National Opera gastierte zur Zeit im New Theatre mit einer Inszenierung der Walküre , und er hatte sich für den heutigen Abend eine Karte besorgt. Die Vorstellung begann um halb sieben.
    »Es ist zehn nach fünf«, sagte Strange, und Morse fühlte sich fast wie in seiner Schulzeit, wenn der Lehrer ihn beim Gähnen ertappt hatte. Schule … Valerie Taylor war, als sie verschwand, noch ein Schulmädchen – er hatte damals über den Fall gelesen. Etwas über siebzehn. Ausgesprochen hübsch. Und den Kopf garantiert voller Flausen über das aufregende Leben in der Großstadt. Möglichst viel Vergnügen und Abwechslung – Sex und Drogen, dann Prostitution, Abrutschen ins kriminelle Milieu. Zum Schluß die Reue. Wir alle bereuen am Ende. Und danach? Zum erstenmal, seit er in Stranges Büro saß, fühlte Morse so etwas wie Interesse. Was war mit Valerie Taylor geschehen?
    Als Strange wieder zu reden begann, war es fast wie eine Antwort auf Morses nur in Gedanken gestellte Frage. »Am Ende hielt Ainley es für möglich, daß sie Kidlington niemals verlassen hat.«
    Morse war auf einmal wie elektrisiert. »Was hat ihn bloß auf diese Idee gebracht?« Er sprach langsam und spürte dabei eine ihm wohlvertraute innere Erregung. Die Walküre war in diesem Augenblick vergessen.
    »Nun, es gab da, wie ich schon sagte, einiges, was ihn beunruhigte.«
    »Und was genau war das?«
    »Sie finden alles in den Akten.«
    Also doch Mord? Plötzlich waren all seine Energien mobilisiert. Als der Superintendent auf die verschwundene Valerie Taylor zu sprechen gekommen war, hatte er zunächst befürchtet, daß ihm da wieder eine dieser Vermißtensachen aufgehalst werden sollte, bei denen die Ermittlungsarbeit der Suche nach der berühmten Nadel im Heuhaufen glich – ebenso mühsam und aussichtslos. Er wußte nur zu gut, was ihn in dem Fall erwartet hätte: Zuhälter, Nutten, üble Typen in miesen Schuppen, schäbige Straßen und als Nachtquartier irgendwelche heruntergekommenen Hotels in London, Liverpool, Birmingham. Ihm grauste, wenn er nur daran dachte. Und dann die unsägliche Monotonie der polizeilichen Routinemaßnahmen. Überprüfen. Noch mal überprüfen. Nichts. Das Ganze noch einmal von vorn. Ohne daß ein

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