Wuschsch! ... Watschsch!
dutzendweise erfinden. Der Kringelbäcker Vort
Kartif war aber ein armer Mann und von einfacher Her-
kunft. Warum sollte sich Dr. Trifulgas da bemühen, und
noch dazu in einer solchen Nacht!
»Schon allein, daß ich aufstehen mußte«, murmelte er,
sich wieder niederlegend, »müßte mindestens 10 Fretzer
kosten!«
Kaum waren 20 Minuten verflossen, als der eiserne Klop-
fer an der Tür des Sechs-Vier-Hauses aufs neue anschlug.
Mit einer Verwünschung erhob sich der Arzt wieder aus
dem Bett und rief zum Fenster hinausgebeugt in die Nacht
draußen:
»Wer ist da?«
»Ich bin die Frau von Vort Kartif.«
»Des Kringelbäckers aus dem Karniu-Tal?«
»Ja, und wenn Sie es abschlagen, mitzukommen, muß er
sterben.«
— 7 —
»Na und, da würden Sie eben zur Witwe.«
»Hier sind 20 Fretzer.«
»20 Fretzer, um bis ins Karniu-Tal, 4 Kertses von hier,
zu gehen?«
»Tun Sie es aus Barmherzigkeit!«
»Gehen Sie zum Teufel!«
Das Fenster klappte wieder zu. 20 Fretzer! Das wäre eine
Aussicht! Einen Schnupfen zu riskieren oder eine Gelenk-
steifigkeit für 20 Fretzer, besonders wenn man am andern
Morgen in Kiltreno bei dem reichen gichtkranken Edzin-
gow erwartet wird, dessen Zipperlein sich so hübsch mit 50
Fretzer pro Besuch ausbeuten läßt!
Mit dieser höchst angenehmen Aussicht schlief Dr. Tri-
fulgas noch fester als vorher wieder ein.
— 8 —
IV
Wuschsch! ... Watschsch! Dann lauter schon: Wummm!
Wummm! Wummm!
Durch das Toben des Sturmwinds tönen jetzt drei, schon
mit energischerer Hand geführte Türklopferschläge. Der
Arzt schlief. Er erwachte von dem Lärm, aber in welcher
Laune! Als das Fenster aufging, drang der Orkan wie ein
Kugelhagel ins Zimmer.
»Ich komme wegen des Kringelbäckers.«
»Immer wieder dieser Unselige ...«
»Ich bin seine Mutter!«
»Meinetwegen können Mutter, Frau und Tochter mit
ihm zur Hölle fahren!«
»Er hat einen Schlaganfall gehabt.«
»Nun, so mag er sich wehren!«
»Wir haben«, fuhr die alte Frau fort, »als Anzahlung auf
unser Haus, das an den Reihefahrer Dontrup in der Mes-
saglière-Straße verkauft ist, etwas Geld erhalten. Wenn Sie
sich nicht erweichen lassen, zu kommen, wird meine Enke-
lin sehr bald keinen Vater, meine Tochter keinen Ehemann,
und ich – ich werde keinen Sohn mehr haben.«
Es war herzzerreißend und schrecklich zugleich, die bit-
tende Stimme der Alten zu hören, sich vorzustellen, daß der
kalte Wind ihr das Blut in den Adern erstarren ließ, daß der
Regen sie bis auf die Knochen unter dem mageren Fleisch
durchnäßte.
Der herzlose Trifulgas antwortete:
— 9 —
»Ein Schlaganfall, der kostet 200 Fretzer!«
»Wir haben aber nur 120!«
»Dann gute Nacht!«
Und wieder schloß sich das Fenster.
Doch wenn man’s recht überlegt – 120 Fretzer für ei-
nen Weg von anderthalb Stunden und einen halbstündigen
Krankenbesuch – das macht immer noch 60 Fretzer pro
Stunde – 1 Fretze pro Minute; das ist zwar nur ein kleiner
Erlös, aber doch nicht ganz zu verachten.
Statt sich also noch einmal niederzulegen, schlüpft der
Arzt in seinen dicken Flauschrock, zieht sich schwere, was-
serdichte Stiefel an, hüllt sich in seinen Regenmantel, stülpt
den Schlapphut, der ihm die Ohren schützt, auf den Kopf
und steckt die Hände in warmhaltende Handschuhe; die
Lampe bleibt brennend auf dem Tisch neben einem großen
Arnzneibuch stehen, bei dem die Seite 197 aufgeschlagen
ist. Dann stößt er die Tür des Sechs-Vier-Hauses auf und
sieht sich, auf der Schwelle stehend, um.
Die Alte ist noch da und lehnt sich, entkräftet von 80
Jahren elenden Lebens, auf ihren Krückstock.
»Nun, die 120 Fretzer?«
»Hier sind sie, und Gott vermehre sie Ihnen hundert-
fältig!«
»Gott? Geld von Gott! Hat schon je einer gesehen, wie
das aussieht?«
Der Arzt pfiff nach Hurzof, gab ihm eine kleine Laterne
ins Maul und schlug den Weg Richtung Meer ein.
Die Alte hinkt hinter ihm her.
— 10 —
V
Das war ein Wetter aus lauter Wuschsch und Watschsch!
Die Glocken der Sainte-Philfilène-Kirche werden von dem
Sturm in Schwung versetzt. Ein schlechtes Zeichen, doch
Dr. Trifulgas ist nicht abergläubisch. Er glaubt an nichts,
nicht einmal an seine Wissenschaft – wenigstens nur inso-
fern, als sie ihm etwas einbringt.
Ein abscheuliches Wetter und ein greulicher Weg!
Strandkiesel und Schlacken; die Strandkiesel sind glitschig
vom Seetang und die Schlacken knirschen unter den Füßen
wie unter
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