Wyler, Leana
wild.
„Milord!”, keuchte er und holte erst einmal Luft, bevor er sich verbeugen und weitersprechen konnte. „Er ist gekommen, Robin Hood! Er ist hier auf dem Castle, die Wache hat ihn festgenommen.”
Locksley war tatsächlich hier? Einfach so? Um ein Haar wäre Eadric seiner unerträglichen Mutter dankbar gewesen für ihren Vorschlag, das Pack aus dem Dorf gefangen zu nehmen. Nun würde sie natürlich triumphieren und ihm bis in alle Ewigkeit vorhalten, dass erst sie mit ihren brillanten Einfällen den Schurken zur Strecke gebracht hatte. Er konnte ihr selbstzufriedenes Grinsen schon vor sich sehen.
„Lass ihn in den Saal führen”, befahl er dem Diener und ging nach oben, um sein silberdurchwirktes Gewand und den breiten Gürtel mit Edelsteinen anzulegen. Außerdem fuhr er sich mit dem Kamm geschwind durch die Haare, er wollte eine würdige Erscheinung abgeben.
Mit weit ausholenden Schritten betrat er kurz darauf den großen Saal, der mit seinen Schnitzereien und edlen Wandteppichen das Prunkstück des Schlosses war. Mitten im Raum, fast unmittelbar vor seinem kunstvoll geschnitzten Sessel, kniete der Gefangene, von zwei Soldaten in Schach gehalten.
Eadric ließ sich elegant auf dem Stuhl nieder. „Lasst ihn aufstehen”, wies er die Wachen an, „ich will ihm ins Gesicht sehen.”
Sie zogen sich ein Stück zurück. Der Mann erhob sich vom Boden und sah ihn mit stolzem Blick direkt an.
„Ihr seid also der berüchtigte Robin Hood, der selbst ernannte König von Sherwood Forest?”, sagte Eadric und musterte den Kerl.
Er war kleiner als er ihn sich vorgestellt hatte. Ein drahtiger Mann um die Dreißig mit struppigem Bart und zerrupft wirkender Kleidung. Und dieses Bürschchen hielt die ganze Grafschaft in Aufregung? Kaum zu glauben. Doch Eadric ließ sich von dem harmlos wirkenden Äußeren nicht täuschen, die wachen Augen verrieten ihm, dass der Mann ein schlauer Kopf war.
„Mein Name ist Robin of Locksley, Earl of Huntington”, stellte der sich in ruhigem Ton vor.
„Und Ihr wagt es, in meiner Grafschaft unbescholtene Bürger zu überfallen und auszurauben!” Eadric ließ seine Stimme ehrerbietend laut durch den Saal schallen.
Von einer der hinteren Türen vernahm er ein Geräusch, auf das er bereits gewartet hatte: Das charakteristische Schaben des Rollstuhls. Lady Nottingham ließ es sich selbstredend nicht nehmen, diesem Spektakel beizuwohnen. Da sie sich ungern den Augen der Öffentlichkeit aussetzte, verbarg sie sich, wenn hier im Saal eine Zusammenkunft oder Anhörung war, stets hinter einem Vorhang an der rückwärtigen Tür. So wie jetzt.
„Wir haben nie jemandem etwas genommen, der nicht genug hatte”, erklärte Robin, ohne den Blick abzuwenden.
Der gefasste Tonfall des Gefangenen machte Eadric allmählich wütend.
„Diebstahl bleibt Diebstahl”, stellte er klar. „Und von den zahlreichen verwundeten und getöteten Soldaten wird auch noch zu reden sein. Ihr werdet Eure gerechte Strafe dafür erhalten!”
Locksley vollführte eine demütige Verbeugung. „Ich sehe, Ihr seid ein echter Edelmann, Milord. Und ich bin mir sicher, ein Sheriff von Nottingham hält sich an sein Wort.”
„Ihr sprecht von den Gefangenen, nehme ich an.” Dumm war er nicht, der Kerl, das musste man ihm lassen. Er fädelte das sehr geschickt ein.
„Allerdings” Locksley nickte. „Ich begebe mich gerne in Euren Gewahrsam, wenn dafür, wie Ihr versprochen habt, die Frauen und Kinder aus dem Dorf freigelassen werden.”
„Das wird selbstverständlich so geschehen. Doch nicht sofort.” Eadric wollte die Dörfler noch ein paar Tage im Kerker behalten, um bei einem etwaigen Angriff von Locksleys Gesindel ein Druckmittel in der Hand zu haben.
Wieder waren die hellen Augen des Mannes in Fußeisen auf ihn gerichtet. „Aber ich habe Euer Ehrenwort, dass sie unversehrt zu ihren Familien zurückkommen?”, sagte er, nun mit deutlich mehr Nachdruck.
Eadric lächelte milde. „Ihr sein in keiner besonders guten Verhandlungsposition, Locksley! Gefesselt und ohne Verstärkung hier im Saale meines Castles. Ein Fingerschnippen meinerseits und Ihr seid einen Kopf kürzer! Da gebührt es Euch wohl kaum, irgendwelche Forderungen zu stellen.”
„Ich wollte nur Euer Wort als Ehrenmann, Sire.”
Eadric reichte es mit dem Gerede. Er winkte die Wachleute heran. „Sperrt ihn in den Kerker, er bekommt eine Zelle für sich allein.”
Ihm war nicht ganz wohl bei der ganzen Angelegenheit. Es war viel zu einfach
Weitere Kostenlose Bücher