Wyler, Leana
einem Mal wieder da. Seine unbändige Wut, als er mitbekommen hatte, dass sie eine Handvoll ihrer eigenen Wachleute ausgesandt hatte, um Leute aus dem Dorf zu holen, eigenmächtig, obwohl er sich doch ausdrücklich gegen diesen Plan ausgesprochen hatte! Kinder und Frauen, die sie in den Kerker hatte werfen lassen. Getobt hatte er, als er ihre Diener mit den Gefangenen hatte ankommen sehen.
Und dann ihr überhebliches Grinsen, dass er ihr am liebsten aus dem Gesicht geschlagen hätte.
„Du kannst sie wohl jetzt nicht wieder freilassen, da würden die Menschen dich für verrückt halten”, hatte sie gesagt. „Sei froh, dass ich dir auf diese Weise Robin auf dem Silbertablett serviere. Für den schwachen Geist eines Ammensohns ist hier auf diesem Castle kein Platz, gewöhn dich daran.”
Er war davon gestürmt, auf sein Pferd gesprungen und damit losgeprescht. Im gestreckten Galopp über Felder und Hügel, bis das Fell seines Hengstes irgendwann nass vor Schweiß war und schäumte. Diese Missgeburt einer Frau! Sie hatte sich erdreistet, sich seinen Befehlen zu widersetzen, und ihn noch dazu in eine Lage gebracht, aus der es keinen Ausweg gab.
Eadric setzte sich auf, schwang die Beine aus dem Bett und stand auf. Sein unterer Rücken fühlte sich wund an. Susannah war durch die Bewegung aufgewacht und blinzelte in die Sonne. Als sie ihn erblickte, erschien ein Lächeln auf ihrem Gesicht.
Er starrte sie an, mit einem Mal wurde ihm bewusst, welch falsches Spiel auch sie mit ihm trieb. Von wegen Gefühle für ihn, sie war genauso hinterhältig und verlogen wie seine Mutter, wie offenbar alle Frauen!
„Welch teuflischen Plan verfolgst du?”, fuhr er sie an. „Kein anderes Weib wird solche Dinge mit mir tun!“
Er wurde immer lauter, während ihre Augen sich weiteten und sie sich aufsetzte, das Betttuch um ihren nackten Leib raffend.
„Soll ich mein Eheweib darum bitten, mich wie ein Pferd mit der Peitsche zu schlagen?”, schrie er sie an. „Soll ich mir von einer Magd den Rücken zerkratzen lassen?“
Sie hatte ihn verdorben, ihn mit anrüchigen Abarten verführt, nur um in ihm ein krankes Verlangen nach derartigen Diensten zu erwecken. Wie hatte er nur einen einzigen Moment glauben können, dass sie ihn mochte!
Er holte aus und schlug ihr mit der flachen Hand ins Gesicht.
Sie schrie erschrocken auf und hielt sich die Wange. Für einen winzigen Augenblick tat sie ihm leid, wollte er sich über sie beugen und seine Hand entschuldigend auf ihre Wange legen, den Schmerz von ihrem Gesicht küssen, den süßen Zauber ihrer Umarmung spüren.
Aber dann gewann endlich die Vernunft wieder die Oberhand. Sie log ihn an. Sie benutzte ihn. Sie spielte ihm Zuneigung vor. Doch in Wirklichkeit wollte sie ihn nur demütigen, so wie alle.
„Verschwinde”, zischte er und seine Stimme klang so kalt wie der Eisklotz, der von seiner Brust Besitz genommen hatte und ihn hier an Ort und Stelle erfrieren ließ, „und lass dich nie wieder auf dem Castle blicken.”
Sie sprang auf, wortlos, das Gesicht kalkweiß, und raffte mit zittrigen Händen ihre Kleidung zusammen.
Eadric konnte sie nicht ansehen. Diesen seidenweichen Körper, der ihm so viel Lust bereitet hatte, ihre langen Haare, deren Duft er so gut kannte, die schmalen Schultern, die man doch eigentlich beschützen müsste. Mit einer abgehackten Bewegung wandte er sich ab, ging zum Fenster und blickte hinaus, ohne irgendetwas dort draußen wahrzunehmen. Er war ein Schwächling, da hatte Lady Nottingham recht, ein erbärmlicher Schwächling. Er schaffte es nicht einmal, diese Hure Susannah in den Kerker zu werfen, wo sie hingehörte. Vielleicht hatte er hier auf dem Castle tatsächlich nichts verloren.
*
Eadric stand noch eine Weile reglos, nachdem er sie aus seinen Gemächern hatte schleichen hören.
Dann kam Leben in ihn. Er wusch sich mit eiskaltem Wasser und zog sich an.
Es war noch früh am Morgen, im Castle war alles ruhig. Er warf sich einen Umhang über und ging hinaus, zum hinteren Tor, dort wo unter mächtigen Trauerweiden neben einem kleinen Bach ein Friedhof für die gefallenen Soldaten und die anderen Bediensteten angelegt worden war.
Eine halbe Ewigkeit war er schon nicht mehr hier gewesen, aber seine Füße fanden den Weg zu ihrem Grab noch immer wie von allein. Die hängenden Äste der Trauerweide hatten beim letzten Besuch nur bis zu seinem Kopf gereicht, aber nun berührten sie fast den Boden. Er schob sie zur Seite, duckte sich ein wenig, und
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