Wyoming 2 - Wildes Herz
hatte berühren lassen. Was er sonst noch mit ihr getan hatte, konnte sich jeder selbst aus-malen. Sie hatte sich täuschen lassen, genau wie ihr Vater, aber wer hätte schon ahnen können, daß ein enger Freund der Summers ein Halbblut war? Er kleidete sich wie ein Weißer, sprach wie ein Weißer, trug sein Haar kürzer als die meisten Weißen und hatte einen Revolver um die Hüfte geschnallt. Von seinem Äußeren her war es wirklich schwer zu sagen, was er war, denn das einzige, was indianisch an ihm hätte wirken können, war sein glattes schwarzes Haar und seine dunkle Haut, die aber, um bei der Wahrheit zu bleiben, nicht viel dunkler als die vieler anderer Männer war, die als Cowboys auf der Ranch arbeiteten.
Die Callans wüßten es bis heute nicht, wenn Long Jaw Du-rant es ihnen nicht gesagt hätte. Durant war von der Rocky Valley Ranch gefeuert worden und hatte erst gestern bei Cal-lan angefangen. Er war im Stall gewesen, als Colt Thunder, wie sich das Halbblut nannte, auf diesem grobknochigen Appaloosa hereingeritten war, einem Sohn von Mr. Summers bestem Zuchthengst. Natürlich war Durant so neugierig gewesen, einen der Männer zu fragen, was Thunder hier zu suchen hätte, und als er gehört hatte, daß er schon seit drei Monaten hinter Jenny Callan her war, konnte er es einfach nicht glauben. Er kannte Colt von seinem bisherigen Arbeitsplatz her als einen engen Freund des Bosses, Chase Summers, und dessen Frau Jessica. Er wußte aber auch, daß er ein Halbblut war und bis vor drei Jahren als anerkannter Krieger bei den Cheyenne gelebt hatte, wenn dieses Wissen anscheinend auch kaum über die Grenzen des Rocky Valley hinausgedrungen war - bis heute.
Durant hatte wenig Zeit verstreichen lassen, ehe er seinen neuen Boß aufgesucht und ihn von dieser Tatsache in Kenntnis gesetzt hatte. Wenn nicht drei oder vier andere Rancharbeiter dabeigewesen wären, hätte Callan den Fall vielleicht anders behandelt. Aber nun, da seine Männer von der Schande seiner Tochter wußten, blieb ihm nichts anderes auf Erden übrig: Er konnte das Halbblut nicht am Leben lassen. Er hatte seine restlichen Männer zusammengetrommelt, und als Colt Thunder auf die Veranda trat und mit der kleinen Jenny zu einem nachmittäglichen Picknick aufbrechen wollte, sah er sich einem halben Dutzend Revolvern gegenüber, die angespannt auf seinen Bauch gerichtet waren. Und angesichts dieser Übermacht wäre es unsinnig gewesen, die eigene Waffe zu ziehen, die ihm eilig abgenommen wurde.
Er war groß, größer als die meisten Männer, die ihm gegenüberstanden. Diejenigen, die ihn im Lauf der letzten Monate ein und aus gehen gesehen hatten, hatten nie einen Grund gehabt, vor ihm auf der Hut zu sein, denn er lächelte häufig, lachte gern und erweckte ganz den Anschein, ein äußerst umgänglicher Mann zu sein - bis jetzt. Jetzt bestand kaum noch ein Zweifel daran, daß er von den Cheyenne aus dem Norden aufgezogen worden war, eben jenen Cheyenne, die sich mit den Sioux zusammengeschlossen hatten, um Lieutenant Colonel Custer und sein Bataillon von zweihundert Männern vor nicht mehr als zwei Jahren oben in dem Gebiet von Montana zu massakrieren. Aus Colt Thunder wurde im Handumdrehen ein zäher Cheyenne-Krieger, todbringend und gefährlich, und die rohe Wildheit des Indianers brach heraus und flößte zivilisierten Männern tiefe Furcht ein.
Er ergab sich nicht einfach, als ihm erst klargeworden war, daß sie nicht die Absicht hatten, ihn zu erschießen. Sieben Männer waren nötig, um ihn an den Pfahl vor dem Haus zu binden, und nicht einer von diesen sieben kam ungeschoren davon. Blaue Flecken und blutende Nasen erstickten jegliche Skrupel und Bedenken, die die Männer hätten haben können, als Walter Callan Ramsay befahl, eine Pferdepeitsche zu holen, damit das Halbblut langsam stürbe. Der Indianer hatte mit keiner Wimper gezuckt, als er diesen Befehl hörte. Er war bis jetzt kein einziges Mal zusammengezuckt, obwohl sein Hemd inzwischen zerrissen und mit Blut getränkt war, denn Ramsay hatte ihm viele kleine Platzwunden zugefügt.
Er stand immer noch aufrecht da, preßte die Hüften gegen den Pfosten und hatte die Hände ausgebreitet auf der knapp zwei Meter langen Querstrebe liegen, an der sonst die Pferde festgebunden wurden. Die Fesseln verhinderten nicht, daß er auf die Knie sank, und früher oder später würde er heruntersinken, aber noch stand er gerade und aufrecht da, hatte den Kopf trotzig erhoben und ließ nur daran, wie fest
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