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Wyrm

Wyrm

Titel: Wyrm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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erstaunt die Augen auf und presste sich instinktiv fester an den Baumstamm. Reeves war nicht allein. Hinter ihm verließen zwei weitere Männer das Haus, auch sie bewaffnet und auf die gleiche unheimliche Weise verwachsen wie Morrison.
    Morrison und Reeves begannen aufgeregt miteinander zu debattieren. Natürlich konnte Coppelstone nicht verstehen, was sie redeten, dazu war er viel zu weit entfernt. Aber Reeves und vor allem Morrisons ausholendes Gestikulieren machten ihm sehr bald klar, dass er Zeuge eines heftigen Streits wurde. Schließlich deutete Morrison mit einer wütenden Geste auf die Tür, woraufhin sich der Reverend widerstrebend umwandte und ins Haus zurückging. Die beiden Bewaffneten folgten ihm.
    Coppelstone hatte genug gesehen. Offensichtlich hatten Morrison oder auch Buchanan Reeves entführt und hielten ihn nun hier auf der Farm gefangen. Das rückte die ganze Sache in ein vollkommen neues Licht. Nun hatte er nicht nur einen Vorwand, sondern die Verpflichtung, die Staatspolizei zu benachrichtigen. Er würde in den nächsten Ort mit einem funktionierenden Telefon fahren und von dort aus Waiden anrufen, damit er alles Notwendige in die Wege leitete.
    So schnell er konnte, kletterte er vom Baum herunter und eilte zum Wagen zurück. Unterwegs hatte er die unheimliche Vision, dass er nicht mehr da sein könnte oder als fahruntüchtiges Wrack dastand, von allem, was nicht aus Eisen war, befreit und von einer wuchernden schwarzen Masse umschlossen, die aus dem Boden quoll, doch keines von beidem war der Fall. Der Ford stand unversehrt da, wo er ihn zurückgelassen hatte. Rasch befreite er ihn von dem Buschwerk, mit dem er ihn getarnt hatte, und stieg ein, zögerte aber dann noch einmal. Es kam auf wenige Minuten nun nicht mehr an, und da war noch etwas, das er dringend überprüfen wollte, ehe er den Wald verließ.
    Er ging zur Teerstraße zurück, ließ sich daneben in die Hocke sinken und legte vorsichtig die flache Hand auf ihre Oberfläche. Im ersten Moment spürte er nichts, außer der Wärme des gespeicherten Sonnenlichts, doch schon nach kaum einer Minute begann seine Haut zu prickeln und dann zu brennen. Als er die Hand wieder hob, war die Haut dort, wo sie den vermeintlichen Teer berührt hatte, sichtbar gerötet.
    Coppelstone starrte seine Hand einige Sekunden lang an und überlegte fieberhaft. Was er sah, war schon fast Beweis genug für seine These, doch er wollte sichergehen und seinen Verdacht durch ein weiteres Experiment verifizieren. Er stand auf, ging in den Wald zurück und suchte einige Minuten unter Gebüsch und Steinen, bis er eine fingernagelgroße, kräftig behaarte Spinne fand. Vorsichtig nahm er das heftig zappelnde Tier zwischen Daumen und Zeigefinger, trug es zur Straße und setzte es genau in ihrer Mitte ab.
    Die Spinne begann sofort auf den Straßenrand zuzurennen. Sie war wirklich schnell und bewegte sich auf die für ihre Art so typische ruckhafte Weise, die ihr Laufen manchmal zu einem verwischten Huschen zu machen schien, dem der menschliche Blick kaum noch zu folgen imstande ist. Doch schon auf halbem Wege wurde sie langsamer. Sie schien immer mehr Mühe zu haben, die Bewegungen ihrer acht Beine zu koordinieren, kam schließlich regelrecht ins Stolpern und blieb dann stehen. Ihre beiden vorderen Beinpaare knickten ein. Sofort richtete sie sich wieder auf, zitterte aber heftig.
    Normalerweise hätte Coppelstone das Tier nun von der Straße heruntergehoben, um sein Leben zu retten, doch er ahnte, dass es dafür ohnehin schon zu spät war. Nach einigen wenigen Augenblicken rollte die Spinne auf den Rücken und zog die Beine an den Leib, um zu sterben.
    Doch damit war es nicht vorbei. Vor Coppelstones fassungslos aufgerissenen Augen begann sich das Tier regelrecht aufzulösen. Sein winziger Körper verlor mehr und mehr an Halt, begann auseinanderzufließen wie eine Wachsfigur, die im heißen Licht der Mittagssonne schmilzt. Es dauerte gute zehn Minuten, doch als es vorbei war, war von dem winzigen Tier nichts mehr zu sehen. Die Straße hatte es ebenso spurlos aufgesogen wie gestern den Blutstropfen, der ihm aus der Nase gelaufen war, und das blutgetränkte Taschentuch.
    Er brauchte eine Probe dieser unheimlichen Substanz! Rasch richtete er sich auf, lief zum Wagen zurück und holte Hammer und Meißel aus dem Werkzeugkoffer. Es erwies sich als überraschend schwer, ein Stück des schwarzen Belages von der Straße zu meißeln, und beinahe unmöglich, es aus dem Boden zu lösen.

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