Xeelee 2: Das Geflecht der Unendlichkeit
größerem Nutzen sollten dann die Qax der Zukunft sein können? fragte sich Parz hämisch. Sie waren fünf Jahrhunderte weiter, fünf Jahrhunderte, in denen die Auseinandersetzung zwischen Qax und Menschen sicher schon auf die eine oder andere Art entschieden worden wäre.
Erst ein Jahr war seit der Flucht der Freunde vergangen. Und doch hatten jene zukünftigen Qax bereits die Möglichkeit, die Ereignisse ganz nach Belieben zu manipulieren.
»Du bist nicht bei der Sache«, unterbrach der Gouverneur seinen Gedankengang.
»Tut mir leid.«
»Komm schon«, meinte das Qax mit schmeichelnder Translatorstimme. »Wir würden uns beide wohl nicht als Freunde bezeichnen, Botschafter. Aber wir haben eng zusammengearbeitet und zudem auch Aufrichtigkeit im Umgang miteinander entwickelt. Du kannst mir also sagen, was dich beschäftigt, solange wir darauf warten, daß sich etwas tut.«
Parz zuckte die Achseln. »Was für eine fürchterliche Waffe haben wir unseren Nachfahren in fünfhundert Jahren in die Hand gegeben. Stellen Sie sich einmal vor, daß einer der großen Feldherren der Menschheit -Bonaparte zum Beispiel – historischen Texten den Ausgang seiner größten Schlacht hätte entnehmen können, bevor er überhaupt ins Feld gezogen wäre.«
»Es gibt mehr als eine Möglichkeit, Jasoft. Ein solcher Feldherr hätte angesichts der Last der historischen Erkenntnis verzagen können. Viele Kriege sind nicht durch militärische Geniestreiche entschieden worden – oder den Heroismus einiger Einzelpersonen – sondern durch die Macht der Geschichte. Oder vielleicht hätte den Feldherrn in Anbetracht des durch seinen Ehrgeiz verursachten Leidens und Sterbens auch Mitleid überkommen, und möglicherweise hätte er sogar versucht, den Kampf abzuwenden.«
»Kann sein«, schnaubte Parz. »Obwohl ich mir keinen ›Feldherrn‹ der Qax vorstellen kann, der viel Mitleid für die durch Tyrannei oder Krieg geforderten Menschenleben aufbringt, ungeachtet des Ausgangs der Sache. Denken Sie nur daran, daß wir beide bei der Nachricht von der Flucht der Freunde von Wigner Mißtrauen gegenüber einer solch immensen Macht verspürten, die in die Hände nur einer Gruppe gelegt worden war, ungeachtet der Rasse. Sollten wir dieses Mißtrauen nicht auch bei den Qax aus der Zukunft verspüren?«
Das Qax lachte leise. »Jetzt bist du es vielleicht, der uns unterschätzt. Ich kann mich einer Bewunderung für die Leistungen der Menschheit nicht erwehren, obwohl ich mich zuweilen über eure Motive wundere.«
Jasoft schaute durch das Helm-Sichtfenster auf das leichte, seifige Brodeln des Mini-Meeres, in dem der Gouverneur sein Refugium hatte. »Über welche zum Beispiel?«
»Das Schiff, das unser Interface-Terminal abtransportierte, hatte eine terranische Besatzung. Natürlich war der Raumer vollautomatisiert – und sicherlich immun gegen jedwede Möglichkeit einer Meuterei der Menschen – aber eure jahrhundertelange Erfahrung in der Raumfahrt hat mich davon überzeugt, daß der Erfolg eines von Menschen erbauten Schiffes durch nichts besser gewährleistet werden kann als durch die Anwesenheit seiner menschlichen Konstrukteure an Bord, mit ihrem Einfallsreichtum und ihrer Anpassungsfähigkeit – sowohl physisch als auch mental. Also brauchten wir eine menschliche Besatzung.«
»Und ihr hattet keine Probleme bei der Rekrutierung von Freiwilligen, trotz der Aussichten eines Fluges unter Vielfach-Gravo-Bedingungen«, grinste Parz. »So überraschend ist das nicht, Gouverneur.«
»Warum nicht?«
»Nicht alle Menschen sind gleich. Wir sind nicht alle so glücklich mit unserem Klienten-Rassen-Status wie…«
»Wie zum Beispiel du, Jasoft?«
»Richtig.« Parz streckte das Kinn vor und spürte, wie sich der knochige Kiefer dabei spannte; er glaubte zwar nicht, daß der Gouverneur diese Mimik deuten konnte, aber egal. »Korrekt. Nicht alle Menschen sind wie ich. Einige wollen aus dem Gefängnis, in welches das Sonnensystem sich verwandelt hat, ausbrechen, egal um welchen Preis. Wann werden die Menschen wieder über das Solsystem hinaus Raumflug betreiben dürfen? Und wozu sollte man sonst leben, wenn nicht um zu sehen, zu erforschen und zu staunen. Vielleicht habt ihr mit der Konfiszierung unserer AS-Technologie einen Fehler begangen; vielleicht hat die erneute Kürze unseres Lebens – ein paar lächerliche Jahrzehnte und dann die endlose Dunkelheit – die Menschen risikobereiter werden lassen. Schwieriger zu kontrollieren, was,
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