Xeelee 3: Ring
nicht die langweilige buchstäbliche Unsterblichkeit der AS – keine Generalüberholung des Körpers alle paar Jahre –, sondern die Art der Unsterblichkeit, wie sie deine Idole errungen haben.« Er wedelte mit der Hand. »Wie zum Beispiel Brunel. Indem du etwas Einzigartiges und Wunderbares leistest. Und du befürchtest, daß dir das nie gelingen wird, egal, wie viele Sternenschiffe du auch baust.«
»Du bildest dir ziemlich viel ein«, schnaubte sie. »Die Northern ist eine große Errungenschaft.«
»Ich weiß, daß sie das ist. Ich will das auch gar nicht in Abrede stellen.« Er lächelte, Triumph in den Augen. »Aber ich habe trotzdem recht, stimmt’s?«
Sie konnte nicht mehr. »Du weißt, daß du recht hast.
Hol dich der Teufel.« Sie rieb sich die Augen. »Es sind die Schatten der Zukunft, Mark…«
Vor anderthalb Jahrhunderten war die Zukunft über das Sonnensystem hereingebrochen.
Die Menschheit hatte das selbst zu verantworten; jedem war das bewußt. Unter der Führung eines Ingenieurs namens Michael Poole war das Interface-Projekt – ein Wurmloch, das eine Verbindung zu einer anderthalb Jahrtausende entfernten Zukunft eröffnete – abgeschlossen worden.
Damals hatte sich Louise Ye Armonk bereits in ihrem Fachgebiet, der Konstruktion von GUT-Schiffen, etabliert… zumindest so etabliert, wie das mit gerade fünfzig Jahren in einer Gesellschaft, die in zunehmendem Maße von den AS-konservierten Koryphäen der Vergangenheit dominiert wurde, eben möglich war. Louise hatte kurzfristig sogar mit Michael Poole selbst zusammengearbeitet.
Warum war Pooles Wurmloch-Zeitbrücke überhaupt eingerichtet worden? Darum rankten sich endlose Erklärungen – welche Macht konnte der Blick in die Zukunft eröffnen! –, aber Louise wußte, daß diese Verbindung im Grunde nur um ihrer selbst willen geschaffen worden war.
Das Interface-Projekt stellte den Abschluß einer sich über Jahrhunderte erstreckenden Expansionsphase der Menschheit dar. Das Sonnensystem war erschlossen worden – zunächst durch Schiffe mit GUT-Antrieb und dann über Wurmloch-Verbindungen, und der erste Raumhafen für Sternenschiffe mit GUT-Antrieb – Port Sol – war auch schon in Betrieb.
Louise überlegte, daß es bereits heute schwierig war, die Stimmung jener Zeit zu rekonstruieren. Zuversicht – Arroganz… Die anthropogenen Theorien der kosmologischen Evolution schienen ihren paradigmatischen Zenit erreicht zu haben. Manche Leute glaubten, daß die Menschen allein im Universum wären. Andere vertraten gar die Ansicht, daß das Universum von irgendeiner Macht im Hintergrund konstruiert worden wäre, mit dem einzigen Ziel, die Menschheit zu erschaffen und am Leben zu erhalten. Wenn dann die Zeit käme, würden die Menschen alles tun, überall hingehen und alles erreichen, was sie nur wollten.
Aber Pooles Interface war eine Schnittstelle zu einer realen Zukunft gewesen.
Der Zwischenfall, der auf die Eröffnung des Wurmloches folgte, war verwirrend, chaotisch und nur schwer zu begreifen. Aber es war ein Krieg gewesen – kurz und spektakulär, eine Qualität, die keine Raumschlacht vorher oder auch nachher wieder erreicht hatte, aber nichtsdestoweniger ein Krieg.
Die Erde der Zukunft – am anderen Ende von Pooles Zeitbrücke, anderthalb Jahrtausende von der Gegenwart entfernt – war besetzt worden, von einer fremden Spezies, von der nichts außer ihrem Namen bekannt war: Qax.
Menschliche Rebellen aus der Besatzungsära wurden von zwei riesigen Kriegsschiffen der Qax zurück durch die Zeit verfolgt, durch Pooles Interface. Mit Michael Pooles Hilfe hatten die Rebellen die Schlachtschiffe schließlich zerstört. Dann hatte Poole ein erbeutetes Kriegsschiff in das Interface-Wurmloch geschickt, um es zum Schutz vor einer weiteren Invasion zu versiegeln – und im Zuge dieser Geschehnisse war Poole selbst in der Zeit verschollen. Die in der Vergangenheit gestrandeten Rebellen waren in einem gestohlenen GUT-Schiff aus dem Sonnensystem geflohen, wobei sie offenkundig den Effekt der Zeitdilatation ausnutzen wollten, um die Rückkehr in ihre eigene Zeit zu beschleunigen.
Das geschockte System kehrte langsam wieder zur Normalität zurück.
Dennoch durchsuchten verschiedene Körperschaften – wie etwa die Heilige Lichtkirche des Suprahet – in dem Bestreben, das Unerklärliche zu erklären, noch nach hundertfünfzig Jahren die Datenfragmente aus dem Interface-Zwischenfall.
Hier stellte sich zum Beispiel die Frage: Was war wirklich
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