Xeelee 3: Ring
noch ein letzter Rest Trunkenheit in seiner Stimme mitschwang. »Oh, komm schon. Wir waren zwanzig Jahre zusammen. Wir sind nicht gescheitert.«
»Bei einer Lebenserwartung von zweihundert Jahren?« Sie schüttelte den Kopf. »Schau. Du hast mich nach meinen Gefühlen gefragt. Jeder, der dich – uns – nicht kannte, mußte glauben, daß wir zusammengehören. Warum also habe ich nur den Eindruck, daß du dich, in einem Winkel deines Kopfes, über mich lustig machst?«
Mark zog die Hand von ihrem Arm zurück, und sie konnte beinahe sehen, wie er die Jalousien hinter seinen Augen herunterließ. »Weil du eine launische, verdrießliche, trampelige – oh, zum Teufel damit!«
»Wie dem auch sei, du hast recht«, konzedierte Louise dann.
»Wie?«
»Ich bin nicht glücklich. Obwohl ich dir im Grunde gar nicht sagen kann, warum.«
Mark lächelte; das indirekte Licht der Kuppel der Britain ließ die Fältchen um seine Augen verschwinden. »Nun, wenn wir wenigstens einmal aufrichtig zueinander sind, genieße ich es tatsächlich irgendwie, dich leiden zu sehen. Nur ein bißchen. Aber du tust mir auch leid. Komm, gehen wir ein Stück.«
Erneut ergriff er ihren Arm, und sie gingen an der Steuerbordseite des Schiffes entlang. Die Sohlen ihrer Schuhe gaben leise Schmatzgeräusche von sich, als die simplen Prozessoren der Schuhe den Sohlen Bodenhaftung auf dem Deck verschafften und die Mikrogravitation von Port Sol unmerklich verstärkten. Die Schuhe funktionierten fast perfekt; Louise stolperte nur ein paarmal.
Das Schiff wurde von einer Kuppel aus sensitivem Glas überwölbt, und über der Kuppel – über der Quelle des indirekten Lichts, in das der Liner getaucht war – erstreckte sich die Landschaft von Port Sol bis zum stark gekrümmten Horizont. Port Sol war eine hundertsechzig Kilometer durchmessende Kugel aus porösem Fels und Eis, mit Spuren von Wasserstoff, Helium und einigen Kohlenwasserstoffen. Es war wie ein großer Kometenkern. Die konturenlose Landschaft von Port Sol wurde von ätherischen Gespinsten überzogen: Skulpturen, die von Kräften der Natur aus dem alten Eis gemeißelt worden waren, die ihrerseits aufgrund der immensen Entfernung von der Sonne extrem langsam abliefen.
Port Sol war ein Kuiper-Objekt. Mit zahllosen Satelliten umkreiste es jenseits der Plutobahn die Sonne, wobei es dort durch die Interferenzen der Gravitationsfelder der großen Planeten geführt wurde.
Louise schaute zur Great Britain zurück. Sogar vor dem unwirklichen Hintergrund von Port Sol vermittelte Brunels Schiff ihr noch einen Eindruck von Leichtigkeit, Grazie und Eleganz. Sie erinnerte sich, wie sie das Schiff im Trockendock auf der Erde besichtigt hatte; jetzt, als sie schielend die Augen zusammenkniff und die Form des Schiffes ausmachen wollte – das platonische Ideal des Eisens, das der arme alte Isambard ans Licht bringen wollte. Das Schiff bestand aus dreitausend Tonnen Eisen und Holz, aber mit seinen schlanken, klaren Kurven und filigranen Details wirkte es wie ein Phantasiegebilde. Louise dachte an die vergoldeten Dekorationen, das um das Heck herumgezogene Wappen und die schlichten, in den Bug gefrästen markanten Symbole der Viktorianischen Industrie: die Taurolle, die Zahnräder, das Zeichendreieck, die Weizengarbe. Man konnte sich kaum vorstellen, daß ein so zerbrechliches Schiff den Stürmen des Atlantiks gewachsen war…
Sie legte den Kopf in den Nacken und schaute hoch zu dem hellen Stern im Steinbock, der Sonne, die fünf Milliarden Kilometer entfernt war. Sicherlich hätte sich nicht einmal ein Visionär wie der alte Isambard vorstellen können, daß sein erstes großes Schiff auf seiner letzten Reise ein derart riesiges Meer befahren würde.
Mark und Louise stiegen mittschiffs einen steilen Niedergang zum Promenadendeck hinab; sie flanierten über das Deck, an Reihen winziger Kabinen vorbei zum Schott des Maschinenraums. Beim Vorbeigehen fuhr Mark mit einem Finger über die Oberfläche einer Kabinenwand. Er runzelte die Stirn und rieb die Fingerspitzen aneinander. »Das Material fühlt sich komisch an… gar nicht wie Holz.«
»Es ist konserviert. Unter einer dünnen Haut aus sensitivem Kunststoff, der es versiegelt und pflegt… Mark, das verdammte Schiff ist 1843 vom Stapel gelaufen. Vor über zweitausend Jahren. Ohne Konservierung würde nicht mehr viel von ihm übrig sein. Außerdem hatte ich gedacht, daß du dich sowieso nicht dafür interessierst.«
Er schniefte. »Stimmt auch. Ich
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