Xeelee 5: Vakuum-Diagramme
den Nahrungsbehältern. Stimmt’s?«
»Ja.«
»Und nun habe ich wieder Recht. Wir befinden uns in großer Gefahr. Um ihr zu entkommen, müssen wir zu diesem anderen Ort gehen.« Ihr Blickfeld klarte wundersamerweise kurz auf, und sie sah Suras große Augen. »Sura, wir sind sicher im Schiff. Wir haben es warm und trocken.«
Das Mädchen nickte. »Es wird auch nicht schlimmer sein als der Schnee.«
»Das ist richtig«, sagte Erwal nachdrücklich. »Es ist nicht einmal so schlimm wie der Schnee.«
»Was soll ich tun?«, fragte Sura nach einer Weile.
* * *
Es dauerte ein paar Tage, bis die verfetteten und trägen Dörfler sich zu Erwals Zufriedenheit organisiert hatten.
Natürlich wollten nicht alle mitkommen. Ein paar Leute beschlossen, in der Sicherheit und Wärme der Acht Kammern zu bleiben, anstatt sich auf Erwals rätselhafte Visionen einzulassen. Die Speisekammern des Schiffs würden die Raumfahrer nähren, so dass Sand, die letzte überlebende Mummy-Kuh, für die Verpflegung der anderen zurückgelassen wurde.
Erwal konnte ihnen keinen Vorwurf machen.
Nachdem die Leute gemeinsam durch dick und dünn gegangen waren, fiel der Abschied ihnen entsprechend schwer, und die Dörfler ahnten, dass es kein Wiedersehen mehr geben würde. Erwal strich der Mummy-Kuh über den haarigen Leib, und Sand vergoss große Tränen.
Dann war es vorbei. Die Zurückbleibenden versammelten sich in der Achten Kammer. Arke war auch unter ihnen, und Erwal fragte sich beim Anblick seines runden Gesichts, wie die Zukunft für ihn in diesen winzigen Räumen aussehen mochte. Die Kinder würden natürlich aufwachsen und vielleicht selbst Kinder haben – wieso auch nicht? Die Leichen der Verstorbenen würden draußen in den Schnee gelegt werden und sich immer höher stapeln, und die Zeit würde ohne besondere Vorkommnisse vergehen. Bis die Mummy-Kuh eines Tages an Altersschwäche starb, und die letzten Menschen mit ihr.
Auf einmal saß Erwal wie auf glühenden Kohlen und konnte es kaum erwarten, bis sie abflogen. Die Geschichte der Menschheit sollte sicher nicht so enden, dass die letzten Überlebenden sich in einem Kasten versteckten.
Arke drückte gegen die Steuer-Tür, und das Kristall-Paneel glitt über die Wand der Achten Kammer. Das Schiff legte ab. Erwals Gruppe versammelte sich in der Mitte der Kammer des Schiffs. Erwal ging unsicher durch die Kabine zum vertrauten Sitz und steckte wieder die Hände in die magischen Handschuhe.
Das Schiff entfaltete die nachtschwarzen Schwingen. Sie schloss die Augen und wurde von einem Hochgefühl durchströmt. Der Freund war bei ihr: Das Sperrfeuer aus Visionen hatte er gnädigerweise eingestellt, doch spürte sie seine Präsenz so intensiv, als stünde er direkt hinter ihr.
Es war soweit.
Sie rief sich das Bild des leuchtenden Rings in Erinnerung…
… das Schiff erzitterte…
…und plötzlich füllte der Freund ihr Gedächtnis-Bild mit Farben und Einzelheiten aus; Entschlossenheit strömte aus ihr in die Handschuhe und…
… hopp…
Es war wie ein Stolpern oder ein Sturz. Sie hörte Schreie hinter sich. Sie schaute zu den Paneel-Fenstern auf: Die fahlen Konturen der Achten Kammer waren verschwunden und einem großen, lodernden roten Feuerball gewichen. Flammen so groß wie Welten züngelten dem Schiff entgegen und…
… hopp…
…und noch ein Ruck, und das Feuer wurde durch nichts, rein gar nichts ersetzt, und…
… hopp…
… eine geneigte bunte Scheibe erstreckte sich vor ihr; sie sah Rot und Braun und Gold, und es war so schön, dass ihr der Atem stockte, aber…
… hopp…
… weg war es…
… hopp – hopp – hoppedihopp…
Bilder prasselten auf die Bildschirme wie Schneeflocken.
Sie schaltete die Schirme ab. Ihre Kameraden seufzten erleichtert, als die Paneele sich leerten und silbergrau wurden. Das Schiff sprang aber weiter durch den Raum; sie spürte es als leichte Unruhe im Magen.
Vorsichtig zog sie die Hände aus den Handschuhen und schaute sie vorwurfsvoll an, als ob sie sie betrogen hätten. Sie hatte geglaubt, das Schiff zu kennen und war zurechtgewiesen worden wie ein Kind von einem Erwachsenen. Sie spürte die Zuversicht, die der Freund ihr zu vermitteln suchte, doch war das kaum ein Trost für sie. Ich hoffe, du weißt, was du tust, sagte sie sich grimmig. Vielleicht sind wir doch dümmer, als du glaubtest. Oder… empfindlicher.
* * *
Im geliehenen Xeelee-Schiff jagte die kleine Schar von Menschen durchs feindliche Universum.
Paul spürte die
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