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Xeelee 5: Vakuum-Diagramme

Xeelee 5: Vakuum-Diagramme

Titel: Xeelee 5: Vakuum-Diagramme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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Bestürzung der Frau, und Reue überkam seine partiellen Personalitäten. Er hatte gewusst, dass die Zündung des Xeelee-Hyperdrive die Menschen erschrecken würde, doch hatte er ihnen diesen Schock nicht zu ersparen vermocht.
    Er hatte keine Zeit für Innenansichten. Er musste den Ring selbst suchen.
    Pauls Aufmerksamkeits-Fokus bestrich unablässig die Peripherie des Sonnensystems. Er fand Schiffswerften, Waffenfabriken, blutbefleckte Lazarette und Fundamente riesiger industrieller Komplexe. Kriegsschiffe und Forts, manche so groß wie Monde, umkreisten die ferne Sonne.
    Wenn zwei Objekte in Kontakt treten, sind sie für immer durch einen Faden aus Quanten-Wellenfunktionen miteinander verbunden. Darauf hatte sich einst das Verschränkungs-Kommunikationsnetz der Menschheit gegründet. Paul erkannte nun, dass Quantenfunktionen von den Kriegsschiffen zu vergessenen Schlachtfeldern im ganzen Universum ausgingen. Paul wusste, dass die Menschen wenigstens einmal den Standort des Rings angegriffen hatten; also musste unter den Wracks auch ein Veteran dieses Angriffs sein, dessen Quantenverbindung man zu folgen vermochte.
    Schließlich fand er ihn.
    Das Spline-Schiff war ein kilometergroßer Kadaver. Die sphärische Form wies ein hundert Meter durchmessendes Einschussloch auf. In der Wunde waren noch zerfetzte Organe und getrocknetes Blut zu sehen. Paul stellte sich die Qualen der Kreatur vor, als sie vom Schlachtfeld zurückkehrte und mit aufgerissenem Leib die Schmerzen des Hyperraums erduldete…
    Dieses Totenschiff war in ein Netz aus Quantenfunktionen eingebettet, die sich bis zu Bolders Ring erstreckten; und die eingesunkenen, gebrochenen Spline-Augen hatten einst den Ring selbst geschaut.
    Paul wickelte sich in eine Röhre aus Quantenfunktionen. Als das Bewusstsein sie absorbierte, hatte er das Gefühl, gestreckt, geweitet und ausgedünnt zu werden.
    Zuerst vorsichtig, dann immer zuversichtlicher justierte er die Phasen der Quantenfäden, und die multiplen Brennpunkte seines Bewusstseins wurden in der Raumzeit verschoben.
    Paul hangelte sich auf der Suche nach Bolders Ring an den Quantenfunktionen entlang.
    * * *
    Es war, als ob er einen hohen Abhang in der Raumzeit hinabrutschte. Anfangs war das Gefälle kaum wahrnehmbar, doch bald wurde es zusehends steiler.
    Der Ring war die massivste Einzelstruktur im Universum. Er glich einem Felsbrocken, den man in ein Schwimmbecken geworfen hatte: Im Umkreis von Hunderten von Millionen Lichtjahren zog die monströse Gravitationsquelle Galaxien mit der gleichen Leichtigkeit an wie das Licht die Motten. Nun überquerte Paul den Rand dieser Quelle, wobei die leuchtenden Ruinen des Universums neben ihm herglitten. Und dann sah er, wie die fragilen Strukturen – die Fasern, Schleifen und Leerräume der Galaxien, die aus der Singularität selbst hervorgegangen waren – beim Sturz in diese große Störstelle im Raum verzerrt, zerrissen und zerbrochen wurden.
    Er sah, dass die Galaxien am ganzen Himmel einen Stich ins Blaue hatten. Blauverschiebung.
    Er war an dem Ort angekommen, zu dem alle Galaxien hinstrebten, in den alle hineinfielen.
    Der Ring war ein Kranz, geflochten aus einem kosmischen String mit einer Länge von einer Milliarde Lichtjahren. Pauls primärer Bewusstseins-Fokus stand irgendwo oberhalb der Ebene des Rings. Die Außenseite des Artefakts bildete einen verworrenen, undurchdringlichen Zaun. Er war mit Bögen und Schnörkeln verziert, und Splitter von Galaxien glitzerten im Morast der Raumzeit-Defekte. Die Innenseite des Objekts zeichnete sich in der Ferne als fahles Band am blauverschobenen Himmel ab.
    Paul studierte den Ring aus einer Perspektive, die Jim Bolder nicht erlebt hatte. Er ließ Sub-Personalitäten entlang der verworrenen Quantenfunktionen ausschwärmen, die tief in die gedehnte Raumzeit des Rings hineinragten.
    Kosmische Strings waren Überbleibsel des ultrahohen symmetrischen Vakuums der Frühzeit des Universums – eine Ära, wo die Kräfte der Physik eine einheitliche Superkraft erst noch ›ausfällen‹ mussten –, und nun waren die Strings im ›leeren Raum‹ des Universums eingebettet wie mit Wasser gefüllte Risse in einer Eisfläche. Die Strings waren supraleitend: Bei der Bewegung durch die urzeitlichen Magnetfelder wurden gewaltige Ströme – hundert Milliarden Ampere und mehr – in den Strings induziert…
    Die Strings schlängelten sich wie verbundene Schlangen durch den Raum und bewegten sich dabei mit annähernder

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