Xenozid
Rücken zugewandt; sie konnte es nicht sagen.
»König Li wies den Juwelier an, das Gestein zu untersuchen, und der Juwelier sagte: ›Es ist nur ein Stein.‹ Der König nahm an, Ho wolle ihn täuschen, und befahl, ihm zur Strafe den linken Fuß abzuschlagen.
Schließlich verschied König Li, und König Wu kam auf den Thron, und Ho nahm erneut den Jadestein und zeigte ihn König Wu. König Wu befahl seinem Juwelier, den Stein zu untersuchen, und erneut kam der Juwelier zum Schluß: ›Es ist nur ein Stein.‹ Der König nahm ebenfalls an, Ho wolle ihn täuschen, und befahl, ihm den rechten Fuß abzuschlagen.
Ho drückte das Gestein an seine Brust und begab sich zum Fuß des Qu-Gebirges, wo er drei Tage und Nächte lang weinte, und als seine Tränen versiegt waren, weinte er statt ihrer Blut. Der König hörte davon und schickte jemanden, ihn zu befragen. ›Vielen Menschen auf der Welt wurden die Füße amputiert‹, sagte der Mann. ›Warum weinst du so mitleiderregend darüber?‹«
In diesem Augenblick richtete sich Vater auf. »Ich kenne die Antwort«, sagte er. »Ich kenne sie auswendig. Meister Ho sagte: ›Ich trauere nicht, weil mir die Füße abgeschnitten wurden. Ich trauere, weil ein kostbares Juwel als bloßer Stein abgetan und ein ehrenwerter Mann Betrüger genannt wurde. Deshalb weine ich.‹«
»Das sind die Worte, die er sagte«, fuhr die Erscheinung fort. »Dann befahl der König dem Juwelier, den Stein zu schleifen und zu polieren, und als er das getan hatte, kam ein kostbares Juwel zum Vorschein. Dementsprechend wurde es die ›Jade des Meisters Ho‹ genannt. Han Fei-tzu, du warst mir ein guter Sohn-des-Herzens, und daher weiß ich, daß du tun wirst, was der König schließlich tat: Du wirst veranlassen, daß der Stein geschliffen und poliert wird, und dann wirst auch du feststellen, daß sich ein kostbares Juwel darin befindet.«
Vater schüttelte den Kopf. »Als der echte Han Fei-tzu diese Geschichte zum ersten Mal erzählte, hat er sie so gemeint: Die Jade war die Herrschaft des Gesetzes, und der Herrscher muß Regeln aufstellen und befolgen, damit seine Minister und sein Volk ihn nicht hassen und einander ausnutzen.«
»So habe ich die Geschichte damals aufgefaßt, als ich zu den Schöpfern des Gesetzes sprach. Die Annahme, eine wahre Geschichte könne nur eine Bedeutung haben, ist töricht.«
»Mein Herr ist nicht töricht!« Zu Qing-jaos Überraschung trat Wang-mu vor und baute sich vor der Erscheinung auf. »Und meine Herrin und ich auch nicht! Glaubst du, wir würden dich nicht erkennen? Du bist das geheime Programm der Demosthenes. Du bist diejenige, die die Lusitania-Flotte verborgen hat! Ich dachte einmal, weil deine Schriften so gerecht und schön und gut und wahr klingen, müßtest du einfach gut sein – aber jetzt sehe ich, daß du eine Lügnerin und Betrügerin bist! Du bist diejenige, die Keikoas Vater dieses Dokument gab! Und nun trägst du das Gesicht des Vorfahren-des-Herzens meines Herren, damit du ihn besser belügen kannst!«
»Ich trage dieses Gesicht«, sagte die Erscheinung ruhig, »damit sein Herz offen für die Wahrheit wird. Er wurde nicht getäuscht; ich würde nie versuchen, ihn zu täuschen. Er hat von Anfang an gewußt, wer ich war.«
»Sei still, Wang-mu«, sagte Qing-jao. Wie konnte eine Dienerin sich so vergessen, daß sie sprach, obwohl sie von den Gottberührten nicht dazu aufgefordert worden war?
Bestürzt verbeugte sich Wang-mu tief vor Qing-jao, und diesmal erlaubte Qing-jao ihr, diese Positur beizubehalten, damit sie sich nicht noch einmal vergaß.
Die Erscheinung veränderte sich; sie wurde zu dem offenen, wunderschönen Gesicht einer Polynesierin. Auch die Stimme veränderte sich; sie wurde weicher, vokalreicher, und die Konsonanten klangen so sanft, daß man sie fast überhörte. »Han Fei-tzu, es gibt eine Zeit, wenn der Herrscher allein und ohne Freunde ist, wenn nur er handeln kann. Dann muß er sich enthüllen. Du weißt, was wahr ist und was nicht. Du weißt, daß Keikoas Nachricht wirklich von ihr stammt. Du weißt, daß die, die im Namen des Sternenwege-Kongresses herrschen, grausam genug sind, eine Rasse von Menschen zu schaffen, die, ihrer Begabung zufolge, Herrscher sein sollten, und ihnen dann die Füße abzuschneiden, um sie zu verstümmeln und zu Dienern zu degradieren.«
»Zeige mir nicht dieses Gesicht«, sagte Vater.
Die Erscheinung veränderte sich. Sie wurde zu einer anderen Frau, dem Kleid, Haar und dem Make-up nach
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