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Xenozid

Xenozid

Titel: Xenozid Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Card Orson Scott
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Luft. »Jane?« sagte sie. »Jane?«
    Keine Antwort.
    Sie hatte auch keine erwartet. Miro trug das Juwel im Ohr. Miro und auch Ender. Wie viele Menschen konnte Jane denn gleichzeitig überwachen? Vielleicht waren zwei das Maximum.
    Oder vielleicht zweitausend. Oder zwei Millionen. Was wußte Valentine denn schon von den Grenzen eines Wesens, das als ein Phantom im philotischen Netz existierte? Selbst wenn Jane sie gehört hatte, hatte Valentine kein Recht, eine Antwort auf ihren Ruf zu erwarten.
    Valentine blieb im Gang stehen, direkt zwischen Miros Tür und der zu der Kabine, die sie mit Jakt teilte. Die Türen waren nicht schalldicht. Sie hörte Jakts leises Schnarchen in ihrer Kabine. Und sie hörte ein anderes Geräusch. Miros Atem. Er schlief nicht. Vielleicht weinte er. Sie hatte nicht drei Kinder großgezogen, ohne dieses unregelmäßige, schwere Atmen erkennen zu können.
    Er ist nicht mein Kind. Ich sollte mich nicht einmischen.
    Sie stieß die Tür auf; sie öffnete sich geräuschlos, doch Licht fiel auf das Bett. Miros Weinen verstummte augenblicklich, doch er betrachtete sie aus geschwollenen Augen.
    »Was willst du?« sagte er.
    Sie betrat die Kabine und setzte sich neben seiner Koje auf den Boden, so daß ihre Gesichter nur ein paar Zentimeter voneinander entfernt waren. »Um dich selbst hast du nie geweint, nicht wahr?« sagte sie.
    »Ein paar Mal.«
    »Aber heute abend weinst du um sie.«
    »Um mich genauso wie um sie.«
    Valentine beugte sich näher, legte den Arm um ihn, zog seinen Kopf an ihre Schulter.
    »Nein«, sagte er. Doch er löste sich nicht von ihr. Und nach einem Augenblick regte er sich unbeholfen, um sie zu umarmen. Er weinte nicht mehr, aber er duldete, daß sie ihn eine oder zwei Minuten lang festhielt. Vielleicht half es ja. Valentine konnte es nicht wissen.
    Dann war er fertig. Er zog sich zurück, rollte sich auf den Rücken. »Es tut mir leid«, sagte er.
    »Gern geschehn«, erwiderte sie. Sie glaubte daran, auf das zu antworten, was die Menschen meinten, nicht, was sie sagten.
    »Erzähle Jakt nichts davon«, flüsterte er.
    »Da gibt es nichts zu erzählen«, sagte sie. »Wir hatten ein gutes Gespräch.«
    Sie stand auf, ging und zog die Tür hinter sich zu. Er war ein guter Junge. Ihr gefiel sein Eingeständnis, daß ihm nicht gleichgültig war, was Jakt von ihm hielt. Und was spielte es schon für eine Rolle, wenn in seinen Tränen heute abend Selbstmitleid enthalten war? Sie hatte auch schon ein paar solcher Tränen vergossen. Die Trauer, erinnerte sie sich, gilt fast immer dem Verlust des Trauernden.
     

Kapitel 5
Die Lusitania-Flotte
    ›Ender sagt, wenn die Kriegsflotte des Sternenwege-Kongresses uns erreicht, will sie diese Welt vernichten.‹
    ›Interessant.‹
    ›Du fürchtest den Tod nicht?‹
    ›Wir haben nicht vor, noch hier zu sein, wenn sie eintrifft.‹
     
    Qing-jao war nicht mehr das kleine Mädchen, dessen Hände insgeheim geblutet hatten. Von dem Augenblick an, da bewiesen war, daß die Götter zu ihr sprachen, hatte sich ihr Leben verwandelt, und in den zehn Jahren seit diesem Tag hatte sie gelernt, die Stimme der Götter in ihrem Leben und die Rolle, die sie nun in der Gesellschaft einnahm, zu akzeptieren. Sie lernte zu akzeptieren, daß die Privilegien und Ehrungen, die sie erhielt, eigentlich für die Götter bestimmt waren. Wie ihr Vater es sie gelehrt hatte, wurde sie nicht überheblich, sondern bescheidener, während die Götter und die Menschen immer schwerere Lasten auf sie legten.
    Sie nahm ihre Pflichten ernst und erfreute sich an ihnen. In den vergangenen zehn Jahren hatte sie harte, erschöpfende Studien absolviert. Ihr Körper war in der Gesellschaft anderer Kinder geformt und trainiert worden – Laufen, Schwimmen, Reiten, Kampf-mit-Schwertern, Kampf-mit-Stöcken, Kampf-mit-Knochen. Gemeinsam mit anderen Kindern wurden ihr etliche Sprachen beigebracht – Stark, die allgemein übliche Sprache der Sterne, die in Computer eingegeben wurde; Alt-Chinesisch, was in der Kehle gesungen und in wundervollen Ideogrammen auf Reispapier oder in feinen Sand gezeichnet wurde; und Neu-Chinesisch, das lediglich mit dem Mund gesprochen und mit einem normalen Alphabet auf gewöhnliches Papier oder in den Boden gekratzt wurde. Außer Qing-jao selbst war niemand überrascht, daß sie all diese Sprachen schneller, leichter und gründlicher lernte als irgendein anderes Kind.
    Andere Lehrer kamen allein zu ihr. So wurde sie in Naturwissenschaften und Geschichte,

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