Xenozid
einfach die logische Schlußfolgerung von Dingen ist, die menschliche Wesen bereits herausbekommen und irgendwo aufgeschrieben haben?«
»Du denkst doch die ganze Zeit über«, sagte Miro.
»Ich versuche, mir etwas Unvorstellbares vorzustellen. Ich versuche, Antworten auf Fragen zu finden, die menschliche Wesen nicht einmal zu stellen versucht haben.«
»Kannst du das nicht?«
»Bedeutet es, daß ich nichts weiter bin als ein Computerprogramm, das außer Kontrolle geraten ist, wenn ich keine ursprünglichen Gedanken denken kann?«
»Verdammt, Jane, die meisten Menschen haben nicht ein einziges Mal im Leben einen ursprünglichen Gedanken.« Er lachte leise. »Bedeutet das, daß sie nur aufrecht gehende Affen sind, die außer Kontrolle geraten sind?«
»Du hast geweint«, sagte sie.
»Ja.«
»Du glaubst nicht, daß mir ein Ausweg einfällt. Du glaubst, daß ich sterben werde.«
»Ich glaube, daß dir ein Ausweg einfällt. Das glaube ich wirklich. Aber trotzdem habe ich Angst.«
»Angst, daß ich sterben werde.«
»Angst, dich zu verlieren.«
»Wäre das so schrecklich? Mich zu verlieren?«
»O Gott«, flüsterte er.
»Würdest du mich eine Stunde lang vermissen?« beharrte sie. »Einen Tag lang? Ein Jahr lang?«
Was wollte sie von ihm? Die Versicherung, daß er sich an sie erinnern würde, wenn sie tot war. Daß jemand um sie trauern würde. Warum bezweifelte sie das? Kannte sie ihn noch immer nicht?
Vielleicht war sie so menschlich, daß sie einfach eine Bestätigung von Dingen brauchte, die sie bereits wußte.
»Auf ewig«, sagte er.
Nun lachte sie. Verspielt. »D M würdest gar nicht so lange leben«, sagte sie.
»Das mußt du mir gerade sagen.«
Als sie diesmal verstummte, meldete sie sich nicht mehr, und Miro war allein mit seinen Gedanken.
Valentine, Jakt und Plikt waren zusammen auf der Brücke geblieben und sprachen darüber, was sie gerade erfahren hatten, versuchten herauszufinden, was das alles zu bedeuten hatte, was geschehen mochte. Sie gelangten lediglich zu der Schlußfolgerung, daß sie die Zukunft zwar nicht ergründen konnten, sie aber wahrscheinlich viel besser als ihre schlimmsten Befürchtungen und keinesfalls so gut wie ihre besten Hoffnungen werden würde. War das nicht immer der Lauf der Welt?
»Ja«, sagte Plikt. »Bis auf die Ausnahmen.«
So war Plikt nun einmal. Wenn sie nicht gerade unterrichtete, sagte sie nur wenig, doch das, was sie sagte, war wie geschaffen dazu, ein Gespräch zu beenden. Plikt stand auf, um die Brücke zu verlassen und sich zu ihrem elend unbequemen Bett zu begeben; wie üblich versuchte Valentine sie zu überreden, auf das andere Sternenschiff zurückzukehren.
»Varsam und Ro wollen mich nicht auf ihren Kabine haben«, sagte Plikt.
»Sie haben nicht das geringste dagegen.«
»Valentine«, sagte Jakt, »Plikt will nicht auf das andere Schiff zurück, weil sie nichts verpassen will.«
»Oh«, sagte Valentine.
Plikt grinste. »Gute Nacht.«
Kurz darauf verließ auch Jakt die Brücke. Bevor er ging, legte er einen Moment lang die Hand auf Valentines Schulter. »Ich komme gleich«, sagte sie. Und sie meinte es in diesem Augenblick auch so und wollte ihm gleich folgen. Statt dessen blieb sie jedoch auf der Brücke, dachte mißmutig nach, versuchte, den Sinn in einem Universum zu sehen, das alle nichtmenschlichen Spezies, die die Menschheit jemals gekannt hatte, dem Risiko der gleichzeitigen Auslöschung aussetzte. Der Schwarmkönigin, die Pequeninos und nun Jane, die einzige ihrer Art, vielleicht die einzige dieser Art, die jemals existieren konnte. Eine beträchtliche Ansammlung intelligenten Lebens, das jedoch nur einigen wenigen bekannt war. Und alle davon bedroht, ausgemerzt zu werden.
Zumindest wird Ender begreifen, daß das der natürliche Verlauf der Dinge ist, daß er vielleicht doch nicht verantwortlich für die Vernichtung der Krabbler vor dreitausend Jahren ist, wie er immer gedacht hat. Xenozid muß im Universum eingebaut sein. Keine Gnade, nicht einmal für die größten Spieler des Matches.
Wie hatte sie jemals etwas anderes denken können? Warum sollten intelligente Spezies immun gegen die Bedrohung der Auslöschung sein, die über jeder Spezies schwebt, die jemals existierte?
Etwa eine Stunde mußte vergangen sein, nachdem Jakt die Brücke verlassen hatte, als Valentine schließlich ihr Terminal ausschaltete und sich erhob, um zu Bett zu gehen. Aus einer Laune heraus blieb sie jedoch noch einmal stehen und sprach in die
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