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Xenozid

Xenozid

Titel: Xenozid Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Card Orson Scott
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weit. Der Pfad wand sich über einen niedrigen Hügel, schnitt den Rand des Waldes, der für diesen Pequenino-Stamm Vater, Mutter und lebenden Friedhof darstellte, und verlief dann weiter zum Nordtor durch den Zaun, der die menschliche Kolonie umgab.
    Der Zaun stellte für Ender ein Ärgernis da. Nun, da die Politik des minimalen Kontakts zwischen Menschen und Pequeninos beendet war, war er schlichtweg überflüssig geworden, und beide Spezies benutzten das Tor ungehindert. Als Ender auf Lusitania eingetroffen war, war der Zaun mit einem Feld geladen, das bei jedem, der hineingeriet, quälende Schmerzen bewirkte. Während des Kampfes um das Recht, ungehindert mit den Pequeninos zu kommunizieren, hatte Enders ältester Stiefsohn Miro mehrere Minuten lang in dem Feld gelegen, was zu irreparablen Gehirnschäden geführt hatte. Doch Miros Erlebnis war nun der schmerzhafteste Ausdruck dessen, was der Zaun in den Seelen der Menschen, die er umschloß, anrichtete. Die Psychobarriere war vor dreißig Jahren ausgeschaltet worden. In all dieser Zeit hatte es keinen Grund gegeben, irgendeine Barriere zwischen den Menschen und Pequeninos aufrecht zu halten – doch der Zaun war geblieben. Die menschlichen Kolonisten von Lusitania wollten, daß die Barriere zwischen Mensch und Pequenino bestehen blieb.
    Deshalb waren die Xenobiologie-Laboratorien von ihrer alten Stelle unten am Fluß verlegt worden. Wenn Pequeninos an den Forschungen teilhaben sollten, mußte das Labor in der Nähe des Zauns liegen und alle Experimentalfelder außerhalb, damit Menschen und Pequeninos nicht in Gefahr liefen, sich unerwartet zu begegnen.
    Als Miro aufbrach, um sich mit Valentine zu treffen, hatte Ender geglaubt, bei seiner Rückkehr würden die großen Veränderungen auf Lusitania ihn verblüffen. Er hatte geglaubt, Miro würde sehen, daß Menschen und Pequeninos Seite an Seite existierten, zwei Spezies, die in Harmonie miteinander lebten. Statt dessen würde Miro die Kolonie fast unverändert vorfinden. Mit wenigen Ausnahmen sehnten sich die Menschen Lusitanias nicht nach enger Gesellschaft mit einer anderen Spezies.
    Nur gut, daß Ender der Schwarmkönigin geholfen hatte, die Rasse der Krabbler so weit von der menschlichen Kolonie auf Lusitania entfernt auferstehen zu lassen. Ender hatte ursprünglich vorgehabt, die Krabbler und die Menschen langsam aneinander zu gewöhnen. Statt dessen waren er, Novinha und ihre Familie gezwungen gewesen, die Existenz der Krabbler auf Lusitania sorgsam geheim zu halten. Wenn die menschlichen Kolonisten schon nicht mit den säugetierähnlichen Pequeninos zurechtkamen, hätte das Wissen um die insektenähnlichen Krabbler sehr schnell gewalttätige Xenophobie provoziert.
    Ich habe zu viele Geheimnisse, dachte Ender. All diese Jahre lang bin ich ein Sprecher für die Toten gewesen, habe Geheimnisse enthüllt und den Menschen geholfen, im Licht der Wahrheit zu leben. Jetzt erzähle ich niemandem mehr auch nur die Hälfte von dem, was ich weiß, denn wenn ich die ganze Wahrheit sagte, würde es Furcht, Haß, Brutalität, Mord und Krieg geben.
    Nicht weit vom Tor entfernt, aber außerhalb, standen zwei Vaterbäume, der eine namens Wühler, der andere namens Mensch. Vom Tor aus gesehen stand Wühler links, Mensch rechts. Mensch war der Pequenino, den Ender damals mit eigenen Händen rituell töten mußte, um den Vertrag zwischen Menschen und Pequeninos zu besiegeln. Danach war Mensch in Zellulose und Chlorophyll wiedergeboren worden, endlich ein reifes, erwachsenes Männchen und imstande, Kinder zu zeigen.
    Im Augenblick hatte Mensch noch immer ein gewaltiges Ansehen, nicht nur unter den Schweinchen seines eigenen Stammes, sondern auch bei denen vieler anderer. Ender wußte, daß er noch lebte; doch wenn er den Baum sah, wurde er immer wieder daran erinnert, wie Mensch gestorben war.
    Ender hatte keine Schwierigkeiten, sich mit Mensch als Person zu befassen, denn er hatte schon oft mit diesem Vaterbaum gesprochen. Es gelang ihm nur nicht, sich diesen Baum als dieselbe Person vorzustellen, die er als Mensch gekannt hatte. Vom Intellekt her verstand Ender durchaus, daß der Wille und die Erinnerungen die Identität einer Person ausmachten und daß Wille und Erinnerungen intakt vom dem Pequenino in den Vaterbaum gewechselt waren. Doch es machte einen Unterschied, ob man etwas mit dem Intellekt oder aus dem Bauch heraus verstand. Mensch war jetzt so fremd.
    Doch er war noch immer Mensch und noch immer Enders Freund. Ender

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