Yendi
habe ich ihr dann meine Zielscheibe im anderen Zimmer gezeigt, die so aufgehängt war, daß ich durch die Diele werfen konnte und so eine Entfernung von zehn Metern zur Scheibe hatte. Übrigens war sie wie ein Dragonkopf geformt. Cawti fand das eine schöne Idee.
Ich holte einen Satz mit sechs Messern hervor und ver- senkte vier davon im linken Auge.
Sie sagte: »Gut geworfen, Vladimir. Darf ich auch mal?«
»Klar.«
Sie traf fünfmal das rechte Auge, und das sechste Messer ging gerade mal einen Zentimeter daneben.
»Sieht so aus«, sagte ich, »als müßte ich noch ein bißchen üben.«
Sie grinste. Ich nahm sie in den Arm.
»Vlad«, sagte jemand.
»Bei den verfluchten Teufeln an den Fällen der Toten, was – ach du bist es, Morrolan.«
»Ein schlechter Zeitpunkt, Vlad?«
»Könnte schlechter sein. Was gibt es denn?«
»Ich habe eben mit Aliera gesprochen. Sie hat die Namen der Abgesandten der Lyorn und der Athyra in Erfahrung gebracht, die an der Prüfung von Lady Norathar beteiligt waren. Im übrigen möchtest du deine Freundin Cawti vielleicht davon in Kenntnis setzen, daß der Rat der Dragon für morgen, zur sechsten Stunde nach Mittag, eine offizielle Prüfung angesetzt hat.«
»Ja, gut. Ich sag es ihr. Wie lauten die Namen?«
»Von den Lyorn war es Gräfin Neorenti, die Athyra war Baroness Tierella.«
»Baroness Tierella, hm? Morrolan, könnte Baroness Tierella der richtige Name der Zauberin in Grün sein?«
»Was? Sei nicht albern, Vlad. Sie –«
»Bist du sicher?«
»Ziemlich sicher. Wieso?«
»Schon gut. Ich habe nur gerade eine Theorie zu den Akten legen müssen, die ich gut fand. Gut, ich danke dir.«
»Es war mir ein außerordentliches Vergnügen. Euch noch einen angenehmen Abend, und es ist schade, daß ihr nicht länger an meiner Feier teilnehmen konntet.«
»Ein anderes Mal, Morrolan.«
Ich gab die Neuigkeiten über Norathar an Cawti weiter, was die Stimmung etwas ruinierte, aber was hätte ich denn tun sollen? Ich ging in die Küche und holte uns Wein, dann nahm ich Verbindung zu Fentor auf.
»Ja, Mylord?«
»Haus der Lyorn, Gräfin Neorenti. Haus der Athyra, Baroness Tierella. Leben sie noch? Wenn ja, finde heraus, wo. Wenn nicht, wie sind sie gestorben? Mach dich sofort an die Arbeit.«
»Ja, Mylord.«
Cawti seufzte.
»Ich bin fertig«, sagte ich schnell. »Ich wollte nur –«
»Nein, das meinte ich gar nicht«, sagte sie. »Ich wünschte nur, ich könnte dir irgendwie mit Laris helfen. Aber alle meine Informationen kamen von ihm, und die kann ich dir unmöglich weitergeben, selbst wenn sie von Nutzen wären.«
»Das verstehe ich«, beruhigte ich sie. »Da mußt du schon mit klarkommen.«
Sie nickte. »Alles war so einfach, vor einer Woche noch. Ich meine, ich war glücklich … denke ich. Wir waren sicher. Meine Gründe, Dragaeraner zu töten, sind dieselben wie deine, und Norathar, na ja, die hat einfach alles gehaßt. Außer mir, nehme ich an.« Ich legte wieder den Arm um ihre Schulter. »Und jetzt, tja, ich bin froh, daß sie hat, was sie will, selbst wenn sie es geschafft hat, sich zu überzeugen, daß sie es gar nicht mehr haben wollte, aber ich –« Sie zuckte die Achseln.
»Ich weiß«, sagte ich. Und wollt ihr jetzt mal etwas Verrücktes hören? Ich hätte so gerne etwas gesagt wie: »Ich hoffe, ich kann ihren Platz bei dir einnehmen«, oder vielleicht: »Ich werde da sein«, oder sogar: »Ich liebe dich, Cawti.« Aber das konnte ich nicht. Warum? Weil ich, so wie ich das sah, in Kürze tot sein würde. Laris war noch immer hinter mir her, hatte noch immer mehr Mittel als ich und, was das wichtigste war, er wußte, wo er mich finden konnte, und ich hatte keine Ahnung, wo er steckte. Wie konnte ich also, unter den gegebenen Umständen, etwas tun, das sie an mich binden würde? Es war verrückt. Ich schüttelte den Kopf und hielt die Klappe.
Dann sah ich zu ihr hoch und stellte fest, daß sie sachte nickend über meine Schulter blickte.
»Loiosh!«
»Ja, Boß?«
»Was erzählst du ihr da, verdammt?«
»Was du ihr selber sagen würdest, Boß, wenn du nicht ein dzurhirniger Narr wärst.«
Ich wollte ihn mir schnappen, aber er flatterte zum Fensterbrett hinüber. Grollend stand ich auf, da spürte ich eine Hand auf meinem Arm.
»Vladimir«, sagte sie ruhig, »komm ins Bett.«
Also, entweder einem klugscheißenden Besserwisser von einem Jhereg an die Gurgel gehen oder sich mit der wundervollsten Frau der Welt in Liebe vereinen – die Wahl fiel nun
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