Yofi oder Die Kunst des Verzeihens – Ein Nashorn lernt meditieren
gönn dir etwas Spaß.«
»Danke, ich verzichte.«
»Das habe ich leider auch lange getan.«
»Ach ja?«
»Fast alle Nashörner verzichten irgendwann einmal auf das, was ihnen gut tut. Merkwürdigerweise halten sie das für einen Ausdruck von Reife.«
»Und wann glaubst du , dass jemand reif ist?«
»Wenn er sich etwas gönnt, obwohl es der Großvater empfiehlt«, antwortete der Alte verschmitzt.
Mit einem kräftigen Schwung stand er auf und stampfte zu seinem Enkel.
»Dann zwinge ich dich eben zum Glück.«
Er drückte Yofi in die Seite, bis beide gemeinsam in den Fluss kippten. Yofi spannte sich an, als könnte er so verhindern, nass zu werden. Gerne wäre er wütend geworden – es klappte nicht. Das kühle Nass floss um seine Haut. Diese Wonne hatte er beinahe vergessen. Als er fast völlig mit Wasser bedeckt war, entspannte er sich.
»Ist das Meer auch so kühl?«, jauchzte er.
»Wenn man taucht, sogar noch kühler.«
Meru strahlte. In seinem Enkel erwachte langsam wieder die Freude, sich lebendig zu fühlen. Das würde die Reise erleichtern.
Sie nahmen ein Schlammbad. Kleine Sumpfschildkröten paddelten heran und fraßen die Zecken, die sich in der Nashornhaut festgesetzt hatten. Später suhlten sich Großvater und Enkel im Matsch, bis sie überall braun waren. Danach wälzten sie sich behaglich im Sand.
In der Nacht träumte Yofi erneut vom Ozean. Die Wellen blinkten in der Sonne, als würden sie miteinander tanzen. Sie wurden immer größer und trieben zum Ufer. Erst kurz vor dem Strand brachen sie, wurden kleiner und verebbten. Yofi tapste vorsichtig ins Wasser, das wärmer war, als er angenommen hatte. Bald umspülten Wellen seinen Bauch, dann seinen Hals.
Glücklich blickte das Nashorn auf den Grund. Hier lebten Tiere, die es noch nie gesehen hatte. Plötzlich schwamm ein bunter Fisch vorbei und grinste: Er hatte das Gesicht des Großvaters. Yofi musste lachen und wachte davon auf. Er brauchte eine Weile, bis er wieder wusste, wo er war.
Meru atmete gleichmäßig an seiner Seite.
*
Am nächsten Morgen war Yofi sicher, dass die Kröten noch lauter quakten. So konnte er sich nicht besinnen! Kaum hatte er sich zur Sonne gedreht, erreichte seine Laune den Tiefpunkt.
Dämliche Krachkröten.
»Was soll der Blödsinn überhaupt?«
»Blödsinn?«
»Das alberne Herumstehen in der Früh. Das ist doch nur für Weichhörner.«
Meru schnaubte.
»Mein lieber Enkel. Du musst dich nicht auf den Tag vorbereiten.«
»Na also ...«
»Nach meiner Erfahrung hört man die innere Stimme bei der Besinnung wesentlich klarer – die Stimme, die den eigenen Weg weist.«
Der Tag war besonders heiß. Nachdem sie lange gelaufen waren, machten sie einen Mittagsschlaf.
»Und was ist mit den beknackten Kröten?«, motzte Yofi, als sie wieder wach waren.
»Sie sind deine Lehrmeister.«
»Was können die mir schon beibringen?«
»Sie erinnern dich an das, was du auf dieser Welt alles nicht ändern kannst: das meiste.«
»Hä?«
»Befiel ihnen doch, still zu sein. Vermutlich hast du damit so viel Erfolg wie dabei, dem Wind vorzuschreiben, wie er zu wehen hat.«
»Und was fange ich mit einer derart genialen Erkenntnis an?«
»Wenn du klug bist, konzentrierst du dich auf das, was du ändern kannst. Es ist mühsam, gegen etwas anzukämpfen, auf das man keinen Einfluss hat.«
»Soll ich den Kröten etwa noch dankbar sein?«
»Ich glaube, so weit bist du noch nicht. «
*
Die Landschaft wurde karger, das Gras niedrig und trocken, die Sträucher dornig. Yofi bekam davon fast nichts mit: Er war voll und ganz mit sich beschäftigt. Die erste Zeit der Wanderung hatte er nur selten an den ehemaligen Nachbarn gedacht. Heute aber, während sie durch die Buschsavanne trabten, drehten sich seine Gedanken fast nur noch um Antros.
Sicher war er längst auf dem Hohen Berg. Der Besuch bei Sara war sowieso nur ein Bluff.
Yofi wurde immer gereizter. Wäre sein Feind in der Nähe gewesen, hätte er ihm die Spitze des großen Horns in den Bauch gerammt.
Dieser Protzbrocken herrscht jetzt sicher über mein Wasserloch!
»Was denkst du?«, fragte Meru.
»Nichts Besonderes.«
»Dafür brodelt es aber ganz schön in dir.«
»Woher willst DU wissen, was in mir los ist?«
»Das fühle ich.«
Am Nachmittag war Yofi immer noch griesgrämig.
»Lass uns endlich den kürzesten Weg nehmen.«
»Das halte ich für keine gute Idee.«
»Ach, und weshalb nicht?«
»Du wirst es nicht gerne hören: Wir brauchen noch Zeit, um deine
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