Yoga Bitch
extra nicht Polly angerufen, um mir die Yoga-Idee nicht zum abertausendsten Mal anhören zu müssen.
»Weißt du, wie oft ich das gehört habe? Dass ich Yoga machen soll?«, schnaufte ich genervt, nicht nur von der Yoga-Idee, sondern auch vor Unbequemlichkeit. Ich lag nämlich mit angewinkelten Beinen auf dem Boden, nur so war der Schmerz zu ertragen.
»Oft. So oft wie ich?«, schätzte Alev.
»Ständig. Alle machen Yoga. Und alle benehmen sich wie wiedergeborene Christen und haben dieses nervig-sanfte Lächeln, wenn sie davon erzählen, sodass man ihnen in ihren Weizengras-Shake kotzen möchte«, sagte ich.
»Stimmt schon. Aber sie haben auch einen geilen Bizeps. Komm, lass es uns probieren. Sonst muss Omi bald in Gesundheitsschuhen tanzen!«, rief Alev.
Das saß.
*
Ich kenne mich mit Trends aus, von Berufs wegen. Ich bin Trendforscherin. Das hat sich vor fünf Jahren so ergeben, und seither beschäftige ich mich damit, sehr gerne und ziemlich erfolgreich. Deshalb kann ich Trends, die so hartnäckig sind wie chinesischer Essensgeruch, nicht leiden. Yoga war seit einigen Jahren nicht mehr nur trendy, sondern in meinem Umfeld, durchaus zur Norm geworden: Ich kannte mehr Yogis als Nicht-Yogis, zumindest in meinem weiblichen Bekanntenkreis. Alles, was zur Norm wird, ist mir bald zuwider. Daher auch das »Fuck Yoga«-Shirt: Es saß erstens gut und drückte zweitens genau aus, was ich dachte. Nämlich dass mich die bekehrten Besserwisser und ihr missionarisches Getue nervten. (Der Typ, der die »Fuck Yoga«-T-Shirts online verkauft, schreibt übrigens: »Jackie Robinson und Eleanor Roosevelt machten kein Yoga und auch kein einziger Papst. Yoga gibt es seit Tausenden von Jahren, und es wird Tausende von Jahren weiter bestehen bleiben. Nur hat sich schon viel zu verdammt lange noch niemand dagegen gewehrt.« Das war genau meine Einstellung . )
Außerdem: War es nicht zu spät, jetzt mit Yoga anzufangen? War jetzt nicht Pilates angesagt? Oder Yogalates? Oder Yoga-Tae-Bo? Oder Yogalosophie? Würde ich mich nicht zum Affen machen, wenn ich 2010 mit Yoga begänne? War der Zug nicht irgendwie abgefahren?
Alle Yogis in meinem Leben – und ihre Zahl wuchs ständig – drängten mich seit Jahren, es zu probieren, von der Ashtanga-Fraktion (Polly) über die schwule Bikram-Community bis zu Iyengar (meine Mutter). Ich konnte mich wehren, solange ich noch fit und jung und schlank war (wüüüääääh!), doch nun lag ich dick, verlassen, schwach und wehrlos auf dem Boden. Polly hatte indes von Alev mitbekommen, dass ich das Y-Wort ohne ein Fuck-Präfix in den Mund genommen hatte, und fing an, mich sanft zu bearbeiten.
Und dann rief meine Mutter an.
»Schatz, du musst jetzt wirklich was für deinen Rücken tun. Du bist auch nicht mehr die Jüngste«, sagte sie.
»Ja, Mama. Danke«, maulte ich, den zweiten Tag auf dem Fußboden verbringend.
»Und Yoga ist so toll, genau das Richtige. Ach, wenn du es doch nur einmal probieren würdest. Du würdest dich fühlen als ob du schwebst …«
»Mama. Bitte.«
Sie schwieg. Meine Mutter macht Yoga seit den 80er-Jahren. Dabei war sie keine 68er-Goa-Hängengebliebene, sondern einfach nur eitel. »Yoga macht den besten Körper. Dagegen kannst du alles andere in der Pfeife rauchen«, sagte sie, und ihr Äußeres gab ihr recht.
»Aber bin ich nicht zu alt, um anzufangen?«, winselte ich.
»Ich war älter als du, als ich anfing! Mit 43, weil alles anfing zu hängen. Außerdem habe ich gestern gelesen, dass Helena Christensen, dieses Supermodel, erst vor drei Jahren angefangen hat, Sport zu treiben. Man kann ja stur sein in seiner Faulheit, solange noch alles straff ist.«
»Wie bitte?«
»Ach, Schätzchen, du weißt doch, was ich meine«, flötete sie.
Vor meinem geistigen Auge erschien Christensens aktuelle Kampagne: nackt und fabelhaft, nicht nur für 42, sondern auch für 27.
»Schätzchen, und noch was: Du weißt doch, Oma hatte Osteoporose, und das ist vererbbar. Bitte nimm extra viel Kalzium …«
»Ja, Mama. Tschüss.«
Hm. Helena Christensen hat also erst vor drei Jahren angefangen zu trainieren? Da habe ich ja fast noch ein bisschen Vorsprung, zumindest hinsichtlich der Zeitplanung. Sehr sympathisch: ein Supermodel, das so lange wartet, bis es wirklich nicht mehr anders geht. Diese Art von Faulheit, die jede körperliche Betätigung (außer Sex und Tanzen) betrifft, war es, mit der ich die Yoga-Debatte bisher jedes Mal im Keim erstickt hatte. Doch Erleuchtung hin,
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