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Yolo

Yolo

Titel: Yolo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisela Rudolf
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ihre Geschichten bewegen sich im Kreis. Auch auf meiner Seite dreht sich alles nur mehr um den plötzlich sehr begehrenswerten Alessandro.
    Gegen eins macht Severino die Schotten dicht.
    Die Weltstadt wirkt in dieser Gegend wie ein ausgestorbenes Dorf. Donatella begleitet mich bis ins Zentrum. Unsere Unterhaltung ist konfus. Ohne meine eigene Ausdrucksweise zu hinterfragen, staune ich, dass Donatella nicht lallt.
    Zum Abschied umarmen wir uns innig, wie zwei Freundinnen vor einer langen Trennung. Mahnend hebe ich den Finger: »Glaube mir, mia cara amica, nichts ist Schicksal, jeder ist seines Glückes Schmied, und morgen wird geschmiedet!«
    Wie sich meine Glücksfloskel im Englischen anhört, weiß ich nicht, aber Donatella hat sie verstanden. »Promised!«, ruft sie mir nach.
    Auf der Piazza Repubblica singen ein paar Leute
Alle Menschen werden Brüder
, der Spur nach jedenfalls, und es tönt himmlisch sentimental. Ergriffen bleibe ich stehen. Der mit der Trompete zwinkert mir zu.
    Völlige Authentizität im Augenblick
.
    Diesen Satz will ich in die Agenda schreiben.
    Bella Italia! Trunken vor Glück und Wein lasse ich mich halb ausgezogen aufs Bett fallen.
    Wenn ich die Augen schließe, dreht sich alles im Kreis. Dazwischen blitzen Fetzen des langen Tages auf. Ein wildes Puzzle, das kein Ganzes ergibt.
    Kreis um und um … Auf diesem Karussell wird mir schlecht! Ich greife nach dem goldenen Ring, ziehe die Notbremse und steige vom Holzpferd. Eine Rampe führt zu einem Fjord. Die steilen Felswände sind unbezwingbar, sage ich zu Alessandro, lass uns am Strand spazieren, bis wir das offene Meer erreichen! Aber es ist nicht Alessandro, der bei mir ist. An meiner Seite geht ein grinsender Troll – er hat das Gesicht von Chris. Verschwinde, du, du … Du bist nichts weiter als ein Sandkorn unter dem Geröll!
    Mit völlig ausgetrocknetem Mund erwache ich. Vom Traum bleibt einzig Christians Gesicht haften. Keine Trollenfratze, ein besorgter Blick.
    Mühevoll tippe ich Buchstabe um Buchstabe ins Handy:
Bin am Sonntagabend wieder in der Klinik, alles okay. Zita
.
    Die Nachricht geht nicht raus. Seltsam. Auch Jutta kann ich nichts mitteilen; falls sie ihr Handy ins Meer geworfen hat, so hoffentlich im Überschwang!
    Ich nehme ein weiteres Kissen unter den Kopf und zähle Schafe.
    Verwirrt schrecke ich aus dem Halbschlaf. Ich stecke in einem Labyrinth von Gedanken. Das Unvertraute des Zimmers schürt zusätzlich meine Unsicherheit. Die Geborgenheit der Klinik gegen ein Saufgelage getauscht – ist das die Freiheit?
    Mit der Dämmerung schleicht sich der neue Tag bedrohlich in das Halbdunkel dieses fremden Raums. Ich ziehe die schweren Samtvorhänge zu.
    Umfange mich, Nacht, mit den Flügeln deiner Dunkelheit
… Über die Dunkelheit hinaus bringe ich das Erschöpfungsgedicht nicht.
    Mit wem mag Chris jetzt zusammen sein? Mit Tina? Die ist seit ihrer Scheidung hinter allen Männern her. Verdammte Weiber! Kaum sind sie geschieden, nehmen sie anderen Frauen den Partner weg …
    Aber der wahre Schuft ist Chris. Ein verlogener Weiberheld. Dich spüle ich jetzt mit einem Whisky runter, endgültig ….
    Ich schaffe es nicht mehr zur Minibar. Während ich mich im Bad übergebe, beginnen die Geister des Alkohols in meinem Kopf zu dröhnen.
    Auch nach der Morgendusche ebben die Kopfschmerzen nicht ab. Das Zimmer ist stickig, durch die Dachluke ist ein Stück grauer Himmel zu sehen. Wenigstens richtet mir eine Angestellte aus, dass das neue Zimmer bezugsbereit ist. Den Schlüssel hat sie zwar nicht, und es sieht auch nicht so aus, als wollte sie ihn holen. Das Italienisch der Schwarzen wird unverständlich. Ich haste an ihr vorbei zur Rezeption. Hier hält ein kleiner fröhlicher Angestellter den Schlüssel schon in die Luft:
    »Buon giorno, ben’ dormito, tutto okay?«
    »Si, grazie.«
    Ja,
geschlafen
einigermaßen – und einen
guten Tag
werde ich hoffentlich haben, wenn es in meinem Kopf nicht mehr hämmert.
    Wieder in meiner Dachkammer, hat das Zimmermädchen meine Reisetasche umgehängt und das Toilettenetui unter den einen, meine Handtasche unter den anderen Arm geklemmt.
    »Die paar Dinge hätte ich wirklich alleine ins neue Zimmer bringen können!«
    Sie lächelt verlegen, verstanden hat sie vermutlich nichts. Ich nehme meine Handtasche an mich und folge der Angestellten eine Etage tiefer. Auf ihrem Hinterkopf ziert eine violette Plastikrose das krause Haar.
    Ein wirklich luxuriöses Zimmer, tatsächlich: Fenster zur Piazza.

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