You are not alone - Mein Bruder Michael Jackson (German Edition)
alles ganz anders. „Tell Me I’m Not Dreaming“ schrieb ich gemeinsam mit Michael Omartian und Bruce Sudan, dem Ehemann von Diana Ross, für Jermaine Jackson , mein erstes Album bei Arista, und gemeinsam hatten wir eine phänomenale Nummer kreiert. Und ich hatte kaum die Melodie gesummt, da wusste ich ganz genau, wessen Stimme für dieses Duett wie geschaffen war. „Ich habe einen neuen Song – und er wäre perfekt für uns beide“, sagte ich Michael am Telefon.
Er war gern bereit, ins Studio zu kommen, obwohl er nicht genau begriffen hatte, was ich eigentlich von ihm wollte. „Soll ich den Titel singen? Oder den Begleitgesang machen?“, fragte er. Ich weiß nicht, wie viele Superstars so eine Frage stellen würden, nachdem sie sich im Studio eingefunden haben. Ich hatte dafür gesorgt, dass außer ihm und mir nur noch der Tontechniker anwesend war, der die Knöpfe drückte. Seit Michael mit Thriller ein Superstar geworden war, hasste er es noch mehr als früher, wenn ihn zahllose neugierige Augen anstarrten, deshalb war es immer besser, wenn so wenige Leute wie möglich zugegen waren.
Kaum dass wir loslegten und er die Instrumentalbegleitung hörte, fing er an zu tanzen. „Das ist großartig … das hört sich einfach super an“, sagte er, während er sich die Kopfhörer mit beiden Händen über den Ohren festhielt. Bei dieser Aufnahmesession fiel mir vor allem auf, wie gut wir uns inzwischen mit der Studiotechnik und dem Mischpult auskannten. Als wir das letzte Mal etwas zusammen eingespielt hatten, 1975, waren wir von einem Team umgeben gewesen, das uns sagte, was zu tun war. Jetzt waren wir beide voll ausgebildete Produzenten. Wir beide, ganz allein. Wir sprachen über die schönen Zeiten von früher, und wie feucht hinter den Ohren wir damals noch gewesen waren; wir machten Witze und lachten über Erinnerungen, und fast hätten wir vergessen, dass wir ja eigentlich noch einen Song singen wollten. Aber dann war da wieder der Blick auf die Uhr, und wir wussten, dass wir nur diesen Nachmittag hatten, um den Titel fertigzustellen.
Als ich meine Strophe sang, übernahm Michael die Produzentenrolle; anschließend machten wir es umgekehrt. Unsere Improvisationen sprachen wir miteinander ab, bevor wir uns, einander gegenüber, aufstellten und in unsere jeweiligen Mikrofone sangen. „Ich würde sagen, der Song ist ein heißer Nummer-1-Kandidat“, sagte ich.
„Du meinst, dass er sich besser verkaufen wird als ‚Thriller‘?“, neckte er mich. „Und falls er das wirklich tut, Jermaine? Was dann?“
„Vielleicht sollte ich mir das auch auf den Spiegel schreiben.“ Die Idee gefiel Michael. „Die Verkaufszahlen sind mir egal“, sagte ich dann. „Ich bin einfach glücklich, dass du den Titel mit mir singst.“
Deswegen bedeutet mir diese Platte heute noch so viel – sie war eine ganz persönliche Gemeinschaftsarbeit von Michael und mir. Letztlich erschien der Song nie als Single, auch wenn er das verdient hätte. Es gab eine große Konferenzschaltung zwischen unseren Labels: Bei Sony wollte man Michael nicht bei einem Song dabeihaben, der, wie es hieß, im Konflikt mit seinen eigenen Interessen stand. Er selbst hätte seinem Bruder gern geholfen, glaube ich. Aber Sony war nicht bereit, auch nur den kleinen Finger krumm zu machen, um Arista einen Gefallen zu tun und der Veröffentlichung eines Titels zustimmen, an dem ein Sony-Künstler beteiligt war. Wenn man durch Verträge gebunden ist, dann ist es kein Argument, dass man seinem Bruder gern unter die Arme greifen würde. Der schlaue Clive Davis ließ sich allerdings nicht die Butter vom Brot nehmen, und ich wusste, dass er eine Möglichkeit finden würde. „Tell Me I’m Not Dreaming“ wurde die Arme-Leute-B-Seite meines späteren Hits „Do What You Do“, denn auf diese Weise galt er nicht als offizielle Veröffentlichung.
Ich steckte diesen Rückschlag weg, weil der Song so viel im Radio gespielt wurde, dass ich mein Gefühl bestätigt sah: Es war im Grunde eine verdiente Nummer 1, auch wenn das offizielle Siegel fehlte.
Allgemein wurde in der Familie oft über eine Reunion von uns Brüdern geredet. Erst mal im Studio. Dann vielleicht auch auf der Bühne. Es klang zu schön, um wahr zu sein.
Michael hatte schon seit Jahren einmal mit Paul McCartney zusammenarbeiten wollen, und 1983 ergab sich endlich die Gelegenheit dazu: Sie schufen „The Girl Is Mine“ für Michaels Thriller und „Say, Say, Say“ für Pauls Album Pipes Of Peace.
Weitere Kostenlose Bücher