You are not alone - Mein Bruder Michael Jackson (German Edition)
Aber außer der Musik ergaben sich dadurch noch zwei andere wichtige Entwicklungen. Als Michael mit Paul und Linda McCartney in London war, kam das Gespräch auf das lukrative Geschäft mit Verlagsrechten. Paul zeigte Michael ein Büchlein von MPL Music Publishing, in dem die Liste jener Songs abgedruckt war, an denen er die Rechte besaß – darunter beispielsweise die großen Hits von Buddy Holly. Der Handel mit Verlagsrechten ist gewissermaßen die clevere Seite der Musikbranche: Man kann als Künstler noch so große und zeitlose Hits eingespielt haben – derjenige, der die Rechte an dem Titel besitzt, ist es, der jedes Mal daran verdient, wenn dieser Song im Radio oder sonst wo gespielt, live aufgeführt oder gecovert wird. Je prestigeträchtiger der Song-Katalog ausfällt, desto mehr Geld verdient man damit. Ich kann meinen Bruder vor mir sehen, wie er mit einem Künstler zusammensaß, den er bewunderte, wieder einmal eine Lektion bekam und sich sagte, dass auch er es einmal damit versuchen sollte. Eines Tages …
Nach Michaels Besuch in London kam Paul nach Kalifornien für den Videodreh zu „Say, Say, Say“, das die Geschichte einer Gruppe von Landfahrern erzählte, die mit Pferd und Wagen durch die Gegend ziehen und ihr ahnungsloses Publikum mit cleveren kleinen Betrügereien abzocken. Michael sorgte dafür, dass auch La Toya darin einen Gastauftritt bekam. Die Aufnahmen fanden auf einer Ranch bei Los Olivos im Santa Ynez Valley statt, etwa zwei Autostunden nördlich von Los Angeles. Es war eine abgelegene, idyllische Gegend, ganz anders als Encino, wo Michael nicht nur der Smog von L.A., sondern auch der Ruhm ständig umfing. Wenn es etwas gab, wonach er sich sehnte, dann nach einem Gefühl von Freiheit und mehr Platz zum Atmen. Seit er sich so gern auf meiner alten Ranch im Hidden Valley aufgehalten hatte, träumte er davon, eine eigene zu besitzen. Ich weiß nicht, ob Michael es damals schon wusste, aber die Dreharbeiten zu „Say, Say, Say“ machten ihn schon recht vertraut mit der Sycamore Valley Ranch – eben jenem Anwesen, dass er fünf Jahre später kaufen und „Neverland“ taufen sollte.
D as Jahr 1984war herausragend, geprägt von Worten wie Sieg, Meilenstein und Rekord. Mit dem schwarzen Politiker Jesse Jackson, einem engen Freund der Familie, gab es erstmals in der Geschichte der USA einen schwarzen Präsidentschaftskandidaten. Mein Football-Kumpel Walter Payton von den Chicago Bears brach den von Jim Brown aufgestellten Rekord über 12 312 mit Ball erlaufene Yards (und schenkte mir einen seiner angeknacksten Helme). Und der neuste Leichtathletik-Star der USA, Carl Lewis, schloss zu Jesse Owens auf, indem er bei der Sommerolympiade in Los Angeles vier Goldmedaillen holte.
In diesem Jahr schwebte der Amerikaner Bruce McCandless als erster Astronaut in einem Raumanzug mit Selbstantrieb frei durch den Weltraum, und die Freiheitsstatue musste zum ersten Mal seit hundert Jahren ohne ihre Fackel auskommen, die für Reparaturarbeiten kurzzeitig abgebaut wurde. Ghostbusters wurde zum Knüller an der Kinokasse und spielte im ersten halben Jahr 212 Millionen Dollar ein. Dazu passte es, dass Michael in diesem Jahr seine Rekordzahl von Grammys einheimste und den 1 793. Stern auf dem Walk Of Fame in Hollywood bekam.
Und dann war da auch noch die Victory -Tour, unsere Reunion im Monsterformat. Sechs Brüder, die sich für das ehrgeizigste Konzertereignis wieder zusammenfanden, das wir als Gruppe je abgeliefert hatten. Für uns bildete es den Höhepunkt unseres kollektiven Traums, und tatsächlich stellten wir auch hier einen neuen Rekord auf – niemand hatte mehr ausverkaufte Stadionkonzerte in Folge vorzuweisen als wir, obwohl Bruce Springsteen als auch Prince in diesem Jahr ebenfalls unterwegs waren. Den Rekord halten wir heute noch. Es ist mir auch überhaupt nicht peinlich, ein bisschen damit anzugeben, denn ich bin nach wie vor stolz auf diese Tour. Davon abgesehen war es keine Leistung, die uns in den Schoß gefallen wäre – im Gegenteil.
Auf der Bühne und in der Garderobe stimmte die Chemie zwischen uns noch immer. Aber bei den Geschäftstreffen ging es um unterschiedliche Interessen, und da gab es enorm viel Spannung: Wenn „Berater“ von außen in ein Familienunternehmen hereingeholt werden, ändert sich eben doch die ganze Dynamik. Als ob man einen Tropfen Säure in stilles Wasser fallen ließe. Aber egal, wie holprig der Weg zwischenzeitlich war, es zählte das Endresultat.
Weitere Kostenlose Bücher