You are not alone - Mein Bruder Michael Jackson (German Edition)
Wichtig war das Durchhaltevermögen. Keine Frage, die Tour und das dazugehörige Album Victory kam unter reichlich Blut, Schweiß und Tränen zustande und war damit der am härtesten erarbeitete Triumph, an den ich mich erinnern kann.
Auch die Victory -Tour war eine Idee, die Michael erst einmal schmackhaft gemacht werden musste. Aber dass er sich überreden ließ, brachte ihm ebenso einen Eintrag ins Guinness-Buch der Rekorde ein wie das Jubiläumskonzert Motown 25 . Später wurde berichtet, wir anderen hätten ihn beschwatzt oder unter Druck gesetzt. Daraus entstand der falsche, aber leider bleibende Eindruck, dass wir nur daran interessiert gewesen seien, uns am Michaels Rockschöße zu klammern, um von seinem Erfolg zu profitieren – als wäre er über Nacht berühmt geworden und wir hätten erst jetzt bemerkt, wie talentiert er war, und das, obwohl wir doch mit ihm gemeinsam aufwuchsen.
Auch von den finanziellen Durststrecken, von denen immer wieder die Rede war und auf die gern als Grund für die Reunion-Tour angespielt wurde, weiß ich nichts. Mein Debütalbum bei Arista enthielt Singles wie „Dynamite“ und „Do What You Do“, ich hatte eine aufregende Zusammenarbeit mit Whitney Houston in Aussicht und nahm wenig später ein Duett mit Pia Zadora auf, „When The Rain Begins To Fall“, das in vier europäischen Ländern, unter anderem auch in Deutschland, auf Platz 1 kam. Aber das erlebte unsere Familie immer wieder: Wenn sich Fakten und ein diffuser äußerer Eindruck gegenüberstanden, hatten die Fakten stets den schwächeren Stand.
Im Gegensatz zu Epic und später Sony haben wir Michael nie als roboterhafte Gelddruckmaschine betrachtet. Wir betrachteten ihn als unseren Bruder, mit dem wir weitere Erfolge feiern wollten. Auch nach all den Jahren in Hollywood spürten wir immer noch dieselbe Begeisterung für gemeinsame Auftritte wie damals, als wir uns noch ein Etagenbett in Gary teilten. Bevor wir berühmt wurden, hatten wir die Shows geliebt, und das war auch danach noch so. Aber irgendwann, als die Jacksonmania in die Michael-Jackson-Mania überging, verwandelten sich die vielen Säcke Fanpost in gedruckte Seiten voller Lügen und erfundener Geschichten. Wir lasen Berichte über ständige Auseinandersetzungen und Eifersucht; angeblich sprachen wir auf dem Weg in die Stadien nicht einmal mehr miteinander. Das war vermutlich die Schattenseite des enormen Ruhms, den Michael mit Thriller geerntet hatte: Zum Mythos eines jeden Helden gehören für die Öffentlichkeit offenbar auch ein paar Schurken als Gegenspieler.
Michael trug nicht gerade dazu bei, die widersprüchlichen Geschichten zu klären, die rund um Victory kursierten. Dem Ebony -Magazin sagte er: „Dass ich nicht auf Tour gehen wollte, habe ich nicht gesagt. Ich tue es, weil es mir Spaß macht aufzutreten, und auch für die Familie …“ Vier Jahre später schrieb er in seiner Autobiografie: „Ich wollte nicht auf Tournee gehen, ich wehrte mich dagegen …“ Beide Aussagen entsprechen der Wahrheit, nur zu verschiedenen Zeiten, und spiegeln seine Zerrissenheit wider, aber dass er schließlich doch einwilligte, ist vielleicht am besten mit dem Ausdruck „bühnensüchtig“ zu erklären. Auch wenn er sich 1981 geschworen hatte, eine Tourneepause einzulegen, war er in dieser Hinsicht wie jeder andere Künstler, der schon als Kind eine innige Verbundenheit mit der Bühne aufgebaut hat: er konnte nicht widerstehen.
Schließlich war sogar er es, der auf dieser Tour bestand. Er brachte Stunden damit zu, Skizzen für den Bühnenaufbau und den Ablauf der Show zu zeichnen. Er wurde zum selbsternannten Bühnendesigner, und damit war klar, dass die Tour mit allem ausgestattet werden würde, was er für nötig hielt – beispielsweise zwei Riesenspinnen, die er links und rechts am Rand eingezeichnet hatte und die jeweils 250 000 Dollar kosteten. Dazu kamen zahlreiche hydraulische Einrichtungen, eine ausgefeilte Lightshow und pyrotechnische Effekte. Wir konnten gar nicht so schnell gucken, wie er dem Tour-Koordinator Larry Larson seine Vision für die gesamte Show inklusive unserer Bühnenkleidung präsentierte. So scharf war er auf diese Auftritte. Er war immer begeistert gewesen, wenn es um Tourneen ging. Deswegen hatten wir auch nie ein Problem damit, ihm etwas Neues vorzuschlagen, denn kreative Ideen waren Teil unserer Kindheit gewesen, und wir wussten, dass auch sein Herz an unserer gemeinsamen Vergangenheit hing. Das hatte seine private
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