You are not alone - Mein Bruder Michael Jackson (German Edition)
was hätte man auch anderes vermuten können – ihre Vermutung, dass ein Schuldspruch wahrscheinlich sei. Ich zappte zu anderen Kanälen, doch diese Einschätzung war Konsens. Sneddon hatte also die Medien mit seinen zwielichtigen Ansichten manipuliert und überzeugt. Jetzt hofften wir nur noch darauf, dass Tom Mesereau die Geschworenen zu einem Freispruch bewegen konnte.
Ich saß mit Tito am Rand einer Fontäne in der Nähe des Themenparks. Alle Fahrgeschäfte ruhten, und unsere gemeinsamen Erinnerungen an eine Zeit voller Spaß und Freunde schienen erstarrt zu sein. Zum Mittagessen gab es heute Erdnüsse. Wir redeten miteinander, spekulierten und machten uns Sorgen. Hoch oben schwebten die beiden Hubschrauber der TV-Stationen. Zum ersten Mal seit vielen Wochen war ich in der Lage, sie zu ignorieren. Plötzlich hörte ich einen heranrasenden Wagen. „Sie haben das Urteil“, schrie der Fahrer.
Im Wagen erfuhren wir, dass Richter Melville der Familie 45 Minuten Zeit zugebilligt hatte, um vor Gericht zu erscheinen. Es war nun ungefähr 13.00 Uhr am 13. Juni 2005.
Wir rannten zum Hauptgebäude und schnappten unsere Jacken. Die anderen stiegen schon in die Wagen ein. Michael trug eine Sonnenbrille und hatte bereits Platz genommen. Er saß neben Rebbie, die eine Bibel in Händen hielt und laut daraus vorlas. Michael hörte zu und rutschte nervös auf dem Sitz herum. „Warum? Warum? Warum? “, wiederholte er ständig und schlug mit seiner Faust auf das rechte Knie. „Warum musste das alles so kommen?“ Randy stieg ein, und Rebbie las auf der ganzen Fahrt unbeirrt weiter. Während der vorangehenden Wochen hatte Michael zwei Treffen im örtlichen Königreichsaal besucht. In seinen dunkelsten Stunden kehrte er zu seinen Wurzeln bei den Zeugen Jehovas zurück. Wir mussten trotz der Dramatik insgeheim ein wenig schmunzeln, da beide Gottesdienste in Spanisch gefeiert wurden. Doch es war nicht wichtig, ob er den Inhalt der Predigten verstand oder nicht. Michael musste das Gefühl einer vertrauten Umgebung und bekannter Bräuche verspüren, um vergeben zu können.
Ich fuhr im Wagen hinter Michael. Um meinen Hals trug ich ein Geschenk einer Frau, die in mein Leben getreten war und die ich später heiraten sollte – Halima Rashid. Wir hatten uns erst kürzlich in einer Schlange bei Starbucks getroffen. Wieder einmal dachte ich an das Schachspiel des Schicksals. Der König trifft seine Königin. Für die Woche der Urteilsverkündung schenkte sie mir eine Goldkette mit einem Medaillon, auf dem in Arabisch ein muslimisches Gebet eingraviert worden war: „Er weiß, was vor ihnen und was hinter ihnen liegt. Sie können seine Weisheit und sein Wissen nicht verstehen, außer er will es …“ Ich umklammerte den Anhänger mit meiner Faust und berührte während der unendlich lang erscheinenden Fahrt damit die Lippen. „Mein Bruder wird wieder auf seine Ranch zurückkehren … Mein Bruder wird wieder auf die Ranch zurückkehren“, flüsterte ich, als wir in Neverland losfuhren und die Fans hinter uns ließen, die all die Tage ausgeharrt hatten. „1.000 Prozent Unschuldig!“ stand auf einem Spruchband.
Bitte Gott, lass es ein Zeichen sein!
Das Gericht verweigerte uns an dem Tag der Urteilsverkündung vier weitere Plätze. Sechs Plätze für die Familie. Mehr nicht. Bestimmungen waren Bestimmungen. Janet und ich entschieden uns, die anderen vorzulassen.
Ich war mir unsicher, ob ich es ertragen konnte, meinen Bruder zu sehen, der aufrecht dasteht, von Marshalls umgeben, während der Sprecher der Geschworenen die Entscheidung in den 14 Anklagepunkten verliest. Meine Schwester, ihr Security-Mann und ich gingen zu einem in der oberen Etage gelegenen fensterlosen Raum. Wir saßen dort, taub und blind, abgeschnitten von dem, was sich im Gerichtssaal abspielte. Wir beteten. Wir nahmen uns in den Arm. Wir gingen nervös auf und ab. Wir warteten.
Und dann hörte ich ein Jubeln von draußen. Gefolgt von einem weiteren Aufschrei der Erleichterung.
Ich sauste aus der Tür heraus, rannte in Richtung des Jubels, als würde ich verzweifelt versuchen, ein verlorenes Kind wiederzufinden. Es folgte ein weiterer Ausbruch der Freude.
Am Ende des Korridors fand ich ein kleines Fenster, das sorgsam abgeklebt worden war. Ich riss die Verkleidung ab, öffnete das Fenster weit genug, um genügend zu sehen. Ich erblickte eine Frau, die bei jedem Aufschrei eine weiße Taube in die Freiheit entließ. „JANET! JANET!“, rief ich und rannte
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