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You are not alone - Mein Bruder Michael Jackson (German Edition)

You are not alone - Mein Bruder Michael Jackson (German Edition)

Titel: You are not alone - Mein Bruder Michael Jackson (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jermaine Jackson
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Gerichtssaal, und bei den Wurfgeschossen handelte es sich um Lügen.
    Oft kehrte er abends zur Ranch zurück und schloss sich bis zum nächsten Morgen in sein Zimmer ein. Die Security riet ihm, eine kugelsichere Weste zu tragen, da sich zunehmend mehr Menschen vor dem Gerichtsgebäude drängten. Wer konnte wissen, ob sich darunter nicht ein durchgeknallter Attentäter befand? Aber schon allein die Tatsache, dass er die Weste tragen musste, belastete ihn.
    Der Fall entwickelte sich zur weltweit größten Nachrichtenstory. Uns wurde gesagt, dass sich insgesamt 1.800 Reporter und Produzenten hatten akkreditieren lassen, und die Medienzelte glichen Kommandozentralen für eine Militäroperation. An einer anderen Ecke des Gerichtsgeländes harrten die vielen Fans von Michael mit Spruchbändern und Fahnen aus.
    Und in der Mitte, praktisch eingezwängt, stand Michael, dessen Geduld im Zusammenhang mit dem ganzen Zirkus schon lange am Ende war. Seine Verzweiflung hatte sich bereits am sogenannten Pyjama-Tag im Krankenhaus Luft gemacht, doch es gab noch einen anderen Tag, an dem deutlich wurde, dass er von all den Vorschriften und Formalitäten, die sein Leben bestimmten, genug hatte.
    Ich saß direkt hinter Michael, als er zögerlich die Hand vor dem Richter hob, ähnlich einem Kind, das in einer Schulklasse eine Frage stellen will, und darum bat, sich in den Ruheraum zurückziehen zu dürfen. Eigentlich hob er nur vorsichtig seinen Zeigefinger auf Augenhöhe, sich nicht sicher, ob er den Prozess unterbrechen durfte. Da niemand das bemerkte, ließ er die Hand wieder sinken und wartete eine weitere Minute. Es muss wohl während eines Kreuzverhörs gewesen sein, denn sonst hätte Tom um eine Pause gebeten. Michael versuchte es erneut, doch Richter Melville nahm Michaels Geste nicht wahr, was ihn ärgerte. Schließlich meldete sich seine Blase, und er stand leise auf, drehte sich um und klopfte mir auf die Schulter. Ich folgte ihm zur Tür hinaus, und umgeben von Security schritten wir durch den Korridor und erklommen die Stufen zum Ruheraum. Wir ließen einen der Security-Leute als Wache vor der Toilette zurück, und Michael eilte zu einem Urinal und „pisste wie ein Rennpferd“.
    „Kannst du das fassen?“, rief er mir zu. „Ich versuche auf mich aufmerksam zu machen, und er ignoriert mich! Will er denn, dass ich in den Saal pinkle?“ Als er sich die Hände wusch, sah er mich durch den Spiegel an und verlieh seinem Ärger Ausdruck.
    „Du hast das Richtige gemacht – lass das bloß nicht zu nahe an dich herankommen“, riet ich ihm.
    „Alles geht mir an die Nerven. Ich kann nicht verstehen, wie Menschen in der Lage sind, Tatsachen so schrecklich zu verdrehen.“ Mir war klar, dass die wenigen Minuten auf der Toilette eine ganz kleine Verschnaufpause darstellten. Er stand hier und genoss den kurzen Moment, allein in einem Raum zu sein, in dem ihn niemand anstarrte und in dem er sich keine Lügen anhören musste. Hier konnte er reden – und gehört werden.
    „Eine Lüge braucht viele Menschen, doch ein Einzelner genügt, um die Wahrheit auszusprechen. Denk daran“, sagte ich. Michael richtete sich auf, holte tief Luft, drehte sich auf dem Absatz herum, und dann gingen wir gemeinsam zum Gerichtssaal zurück.
    Der Prozess dauerte 66 Tage. Danach wurde Michaels Schicksal in die Hände der acht weiblichen und vier männlichen Geschworenen gelegt.
    Und in die Gottes.
    Man gestattete der Familie, sich nach Neverland zurückzuziehen, wo wir in einer Art Vorhölle die nächsten sechs Tage abwarteten, in denen die Jury die 14 Anklagepunkte diskutierte: belastende Aspekte, die eine Haftstrafe nach sich ziehen konnten, oder entlastende, die aus ihm wieder einen freien Mann machten, dessen Ruf aber auf irreparable Weise beschädigt worden war. Jeden neuen Tag drehten sich unsere Gedanken im Kreis. Wenn sie so lange benötigen, ist das doch ein gutes Zeichen, nicht? Oder brauchen sie so lange, weil einige von seiner Schuld überzeugt sind und andere nicht? Und was geschieht, wenn sie sich nicht entscheiden können? Wird es ein neues Verfahren geben? Auf das Ergebnis der Geschworenen zu warten und dabei seinen Bruder zu beobachten, der sich die Frage stellt, ob er je wieder Musik machen kann, ist schlicht gesagt eine Höllenqual.
    Die Behörden kesselten Neverland mit Polizeiwagen und Männern in beigen Uniformen ein, die vor jedem nur erdenklichen Ein- und Ausgang Position bezogen hatten. Nancy Grace von CNN verkündete atemlos –

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