Young Sherlock Holmes 3
ich. Wir haben damals immer Speisekarten und Plakate und so was für die gedruckt.«
»Können Sie ihn beschreiben?«, fragte Sherlock und hielt den Atem an.
Der Drucker zuckte die Achseln. »Klein und schmal wie ein Windhund. Langes strähniges Haar. Schwarzer Bart. Hat so’n ausgefransten Mantel getragen. Astrachan, glaube ich, haben sie ihn genannt. An seinen richtigen Namen erinnere ich mich nicht.«
»Danke«, sagte Sherlock. »Wenn ich mal einen Drucker brauche, werde ich an Sie denken.«
Triumphierend verließ er den Laden. Er blickte auf seine Uhr: Noch eineinhalb Stunden, bevor er sich wieder mit Amyus Crowe treffen sollte. Zeit genug vielleicht, um die Shaftesbury Taverne unter die Lupe zu nehmen? So konnte er Crowe wenigstens berichten, dass er den Mann, der den Toten angeheuert hatte, nicht nur identifiziert, sondern auch noch aufgespürt hatte.
Er fragte eine Frau, die ihm entgegenkam, wo sich die Drury Lane befand, und machte sich dann in die entsprechende Richtung auf. Er brauchte lediglich zehn Minuten.
Die Drury Lane war gesäumt von Theatern und Tavernen. Bei einigen Theatern handelte es sich offensichtlich eher um Tingeltangel-Buden, in denen Jongleure, Sänger und Entfesselungskünstler diverse Varieténummern zum Besten gaben. Andere hingegen machten einen seriöseren Eindruck und führten klassische Stücke auf. Einige boten auch Musicals dar. Unwillkürlich musste Sherlock mit Wehmut an sein Violinenspiel denken, als er sah, dass eine Frau namens Wilma Norman-Neruda – eine Frau, die mit dem Violinenspiel Geld verdiente! – in einem der Theater auftrat.
Als er die Straße halb entlanggegangen war, stieß er schließlich auf die Taverne. Gleich nebenan befand sich ein Theater, das Werbung für eine komische Oper von F. C. Burnand und A. Sullivan machte.
Cox and Box
lautete der seltsame Titel.
Sherlock setzte sich auf die Treppe vor einer Taverne auf der anderen Straßenseite und richtete sich aufs Warten ein. Er ließ sich zur Seite sinken und lehnte den Kopf gegen den Türrahmen, um den Anschein zu erwecken, als ob er schliefe. Doch die ganze Zeit über hielt er Ausschau nach einem kleinen Mann mit langen, strähnigen Haaren.
Es war ungefähr eine Dreiviertelstunde vergangen, als jemand, auf den die Beschreibung passte, aus der Vordertür des Shaftesbury trat. Er war exakt so gekleidet, wie der Drucker es beschrieben hatte. Der Mann blickte zunächst die Straße rauf und runter und setzte sich dann, von ihm aus gesehen, nach rechts in Bewegung.
Sherlock folgte. Vielleicht würde der Mann ihn ja direkt zu seiner Wohnung führen. Welch verlockende Vorstellung, könnte er Amyus Crowe die Adresse präsentieren!
Sherlock folgte ihm die Drury Lane hinunter über einen Platz, der Seven Dials genannt wurde, bevor er anschließend in Richtung Trafalgar Square weiterging. Ab da begann Sherlock, die eine oder andere Stelle wiederzuerkennen, und eifrig versuchte er, sich so viel wie möglich einzuprägen. Als sie zum Trafalgar Square kamen, bog der Mann nach links ab und ging an der reich verzierten, braunen Steinfassade der Charing Cross Station und dem Charing Cross Hotel vorbei. Er bewegte sich sehr schnell, und Sherlock musste sich sputen, um mitzuhalten.
An der Aldwych wandte sich sein Zielobjekt nach rechts, und Sherlock erkannte, dass sie nun auf die Waterloo Bridge in Richtung des anderen Themseufers zusteuerten.
Am Anfang der Brücke blieb der Mann an einer Hütte stehen und händigte jemandem darin ein paar Münzen aus. Rasch überlegte Sherlock, was er jetzt machen sollte: ihm weiter folgen oder besser einfach wieder umkehren, um sich mit Amyus Crowe zu treffen? Aber was würde er Crowe dann sagen? Dass er den Mann gefunden und wieder verloren hatte? Nein, er musste weitergehen – zumindest bis ans andere Ende der Brücke, um zu sehen, wohin der Mann gehen würde.
Sherlock durchwühlte seine Taschen nach ein paar Münzen. Der Brückenzoll betrug lediglich einen Penny. Er zahlte, während er sich am Zoll-Einnehmer vorbeiquetschte und weiterging, und schloss dann wieder zu seinem Zielobjekt auf.
Der kleine Mann marschierte einfach weiter, ohne sich umzublicken oder einmal nach rechts oder links zu schauen.
Auf der anderen Seite der Brücke steuerte er auf ein Gebäude zu, das Sherlock als Waterloo Station wiedererkannte. Doch statt den Bahnhof zu betreten, bog der Mann nach links ab. Sherlock folgte ihm und versuchte, sich hinter anderen Leuten zu verbergen, falls der Mann sich
Weitere Kostenlose Bücher