Young Sherlock Holmes 3
umdrehen würde.
Aber zu seiner Überraschnung bog der Unbekannte urplötzlich nach rechts in einen Torbogen ein.
Als Sherlock die Stelle erreichte, blieb er zunächst stehen und lugte vorsichtig um die aus alten, bröckeligen Ziegelsteinen bestehende Mauerecke. Das Innere des Torbogens war in schwarze Schatten gehüllt, und der Mann war nicht zu sehen.
Er machte einen Schritt nach vorn. Und dann noch einen, bis er sich halb innerhalb, halb außerhalb des Lichts befand. Doch immer noch war keine Spur von dem Mann zu erkennen.
Bereit, zu Amyus Crowe zurückzukehren, drehte Sherlock sich wieder um.
Der kleine Mann mit dem langen, strähnigen Haar stand direkt hinter ihm.
»Du bist mir gefolgt«, sagte er. »Und ich will wissen, warum. Bevor ich dir jeden Knochen im Leib breche und mich an deinen Schreien vergnüge.«
5
»Ham Sie mal ’nen Penny, Mister?« Sherlock versuchte sich kleiner zu machen, als er war. »Hab seit Tagen nix mehr zu beißen gekriegt. Nur ein Penny für ein Stückchen Brot.«
Der Mann hob eine buschige Augenbraue. »Wenn du denkst, du kannst mir was vormachen, haste dich geschnitten, Kleiner. Du folgst mir schon seit dem Theater und hast mich die ganze Zeit nicht aus den Augen gelassen. Und was ich wissen will, ist: warum?« Er musterte Sherlock von oben bis unten. »Du bist keine Elster.« Er bemerkte Sherlocks verständnislosen Gesichtsausdruck.
»Ein Taschendieb«, erklärte er. »Also, hinter was bist du her?«
»Ich bin hinter nichts her.«
»Du bist mir durch halb London über die Waterloo-Brücke bis hier runter in die Tunnel gefolgt.«
»Zufall«, meinte Sherlock.
»So was gibt’s nicht.« Er zuckte die Achseln. »Du musst es mir nicht sagen, wenn du nicht willst. Ich kann es genauso gut aus dir rausprügeln. Würde mir sogar richtig Spaß machen. Ist nämlich schon ’ne Weile her, dass ich jemandem die Seele aus dem Leib prügeln durfte. Musste mich an meine Anweisungen halten, sozusagen den Kopf einziehen, um kein Aufsehen zu erregen. Hab den Lebenssaft jetzt schon ein paar Wochen nicht mehr spritzen sehen, und irgendwie habe ich auf einmal richtig Sehnsucht danach.«
»Den Lebenssaft?«, fragte Sherlock in dem Bewusstsein, dass ihm die Antwort nicht gefallen würde.
»Blut, Jüngelchen, Blut.« Der Mann ließ seine Hand in die Tasche gleiten. Als sie wieder zum Vorschein kam, erblickte Sherlock zwei Gegenstände aus Metall, die gegeneinander klimperten. »Entweder du arbeitest für eine der Gangs da in der Gegend, und sie wollen wissen, was im Shaftesbury so abgeht, oder dir ist dort was Komisches aufgefallen, und jetzt hoffst du, den Bullen die Information für ein paar Pennys verscherbeln zu können.« Er ließ die Finger der rechten Hand durch einen der Metallgegenstände gleiten. Auf den ersten Blick wirkte das Ding für Sherlock wie eine Ansammlung miteinander verbundener Ringe – Ringe allerdings, die mit Stacheln versehen waren, deren Spitzen von den Fingerknöcheln aufragten und nach außen wiesen.
»Wie auch immer, deine Neugier wird dich teuer zu stehen kommen.« Nun ließ er das andere Metallobjekt über die Finger seiner linken Hand gleiten und hob die Fäuste, so dass Sherlock die seltsamen Ringe ungehindert in Augenschein nehmen konnte. Unheilvoll schimmerten die metallenen Stacheln im spärlichen Licht. Seine Hände hatten sich in tödliche Waffen verwandelt. In Waffen, die Sherlock, selbst wenn sie ihn nur streiften, das Gesicht zerfetzen würden.
»Wie wär’s, wenn wir jetzt zum Punkt kommen? Muss noch einige Sachen erledigen und ’n paar Leute treffen.«
Sherlock wich langsam zurück, und sein Herzschlag beschleunigte sich. Der Mann versperrte ihm den Weg aus dem Torbogen, doch es musste einfach noch einen anderen Weg hinaus geben. Irgendwo hinter ihm, in der Finsternis. Sherlock musste ihn nur finden.
Mit kaltem Lächeln ließ der Mann eine Hand in seine Manteltasche gleiten, wobei die Spitzen seines Schlagringes am Stoff hängenblieben. Gleich darauf kam die Hand wieder zum Vorschein, und zwischen den Fingern blitzte ein kleiner Stapel silberner Münzen auf.
»Eine Half-Crown für den ersten, der mir den Jungen hier bringt!«, rief er. »Hört ihr? Damit könnt ihr einen Monat lang wie ein Lord leben, wenn ihr wollt. Eine Half-Crown, und mir ist es sogar egal, falls er sich das eine oder andere gebrochen hat. Solange er nur meine Fragen noch beantworten kann.«
Plötzlich schien die Luft um Sherlock herum zu rascheln, so als wäre sie ein
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