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Zaehme mich

Zaehme mich

Titel: Zaehme mich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emily Maguire
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vorspringenden Wangenknochen. Ihre Augen waren rot und voller Tränen wie schon bei ihrer Ankunft, doch jetzt – o Gott, ihm wurde schlecht – war er der Grund für diese Tränen. Jetzt war er das Arschloch, der Missbraucher, der kein Mitleid kannte und nicht begreifen wollte, dass sie nicht gefickt werden wollte, sondern Hilfe und Schutz suchte. Das Letzte, was die arme kleine Sarah brauchte, war ein weiterer Schwanz, ein weiterer rücksichtsloser Eindringling.
    Er kletterte von ihr herunter und landete halb fallend und halb stolpernd auf dem Boden, weil er vergessen hatte, dass er auf dem Schreibtisch war. Mit den Armen um die Knie saß er da und presste die Hände zusammen.
    Hinter ihm bewegte sie sich, doch er konnte sich nicht überwinden, zu ihr aufzublicken. Er wollte nichts mehr sehen, ihre zerschrammten Knie nicht, ihre zerbissenen Brüste nicht und auch ihr entschlossenes Kinn nicht. Zum ersten Mal, seit sie sich kennen gelernt hatten, wollte er sie weder sehen noch ansprechen noch berühren. Wie hätte er es auch über sich bringen können, wenn er selbst der Urheber der Verletzung war, die er erblicken würde?
    »Jamie?«
    Er hielt den Atem an, ganz auf seine Hände konzentriert.
    Er hörte ihr Seufzen und dann das Klicken ihres Feuerzeugs. Der Geruch von Zigaretten war für ihn immer der Geruch von Sarah gewesen. Wie oft hatte er Rauch aus zweiter Hand eingeatmet, während er sich vom Liebespiel mit ihr erholte? Anscheinend war sein Gehirn noch nicht umgepolt, denn er spürte jetzt den Frieden und die Dankbarkeit, die für ihn mit dem Geruch nach Rauch und Sex einhergingen.
    »Ich hab dir wehgetan«, sagte Jamie.
    »Na ja, ich werd’s überleben.« Ihre Hand schloss sich um seine Schulter. Die kalte, trockene Hand auf seiner heißen, nassen Haut. Heiß und nass von der Anstrengung des Missbrauchs. Ihre Stimme war unnatürlich hoch.
    »Aber alles in allem stehst du auf meiner Liste immer noch ganz oben. Du bist immer noch der beste Freund, den ich je hatte. Wahrscheinlich war es einfach fällig, dass du mir mal wehtust.«
    Er war zu keiner Reaktion mehr fähig. In ihm war nur noch Leere. Seine Schulter war kalt, wo ihre Hand gelegen hatte. Der Rauch stieg ihm nicht mehr in die Augen.
    Einige Sekunden starrte er noch auf seine Hände, dann erhob er sich. Von der Tür aus beobachtete er, wie Sarah den Empfangsbereich durchquerte. Der Aufzug brauchte sehr lange, doch sie drehte sich nicht nach ihm um. Sie machte keine fahrigen oder unruhigen Bewegungen, starrte einfach geradeaus. Als der Lift kam, stieg sie ein, und bevor sich die Türen schlossen, lag ihr Blick kurz auf ihm. In dieser Sekunde spiegelte sich in ihrem Gesicht ihre ganze Geschichte. Es war unerträglich.

6
    Wenn sie jetzt zu Daniel zurückkehrte, würde er es wissen.
    Er musste sie nur ansehen und würde es sofort wissen. Auch wenn er ihr nicht nahe genug kam, um den Geruch eines anderen Mannes auf ihrer Haut wahrzunehmen, würde Daniel merken, dass sie berührt worden war. Er würde sie ansehen, und sie würde weder sprechen noch atmen noch weinen, doch er würde es wissen. Und dann würde er Jamie suchen und ihm den Kopf abreißen.
    Sie konnte nicht nach Hause, obwohl sie sich nach ihm sehnte, und obwohl sie es inzwischen so sehr bereute –
    unendlich bereute –, dass sie überhaupt zu Jamie gegangen war. Sie konnte es nicht ertragen, Daniels Kränkung zu erleben, sich seinen Forderungen und Fragen zu stellen. Sie konnte es nicht ertragen, ihn anzulügen. Sie konnte es nicht ertragen, sich mit ihm in die Schlacht zu stürzen, die unweigerlich kommen musste, wenn sie ihm die Wahrheit sagte. Sie konnte seinen Zorn nicht ertragen. Sie durfte nicht zulassen, dass Jamie noch mehr verletzt wurde.
    Sie war orientierungslos. Um sie herum die Leute, das leise Rauschen des Flusses und das geschäftige Treiben auf der Church Street am Freitagabend, und sie hatte nicht im Entferntesten das Gefühl dazuzugehören.
    Sie wusste nicht mehr wohin.
    Wenn Sarah nicht mehr wusste wohin, ging sie zu Jamie.
    Sie wusste nicht mehr wohin.
    Sie war in einen Hinterhalt geraten. Sie hatte den sichersten Ort aufgesucht, den sie kannte, und war direkt in eine Falle getappt. Jamie hatte – ja, was eigentlich? In ihrem Kopf lief alles im Kreis, während der Wind die regenschweren Äste gegen die Fenster der schmuddeligen Wohnungen in der Sorrel Street peitschte. Während sich Kids auf Skateboards aus sicherer Entfernung über sie lustig machten und ihr ein

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