Zaehme mich
Lastwagenfahrer zurief, aus dem Regen zu verschwinden, überlegte sie, was Jamie mit ihr gemacht hatte. Ohne die aufsteigende Panik über ihr Alleinsein in einer dunklen, nassen Nacht zu beachten, ging sie weiter und versuchte zu ergründen, weshalb sie sich so vernichtet fühlte.
Mit achtzehn hatte Sarah ein Abenteuer mit einem Möchtegern-Alistair-McCrowley, der nur kommen konnte, wenn Sarah völlig reglos dalag, mit starrem Blick und wie tot. Am Anfang fand sie das aufregend, ziemlich schnell wurde es frustrierend, und schon beim vierten oder fünften Mal war es nur noch langweilig. Es war irgendwie krank und erniedrigend, aber sie hatte sich dabei nicht annähernd so schlecht gefühlt wie jetzt. Auch wenn Mike sie befummelte, während er am Telefon mit seiner Frau redete, wenn sie Todd einen blies, während er durchs Autofenster Koks verkaufte, wenn sie Jess’ Onkel Rodger unter dem Esstisch einen runterholte, war es nie so schlimm gewesen.
So viele Männer und Jungen, Gesichter und Schwänze, Hände, Lippen und Zungen. Sanft, rau, liebevoll, unpersönlich, schnell, langsam, gierig, gleichgültig, gutaussehend, hässlich, jung, alt, nüchtern, blau, krank, gemein, knie dich hin, steh auf, an der Wand, unten, oben, von hinten, von vorn, gefesselt, Haare ausgerissen, Bett demoliert, Fenster zerbrochen, ins Gesicht geschlagen, Ohr geleckt, Wimpern geküsst, Flüstern und Schreie, Liebe und Hass – doch nie wäre Sarah hinterher am liebsten im Erdboden versunken. Nie war es so beschämend gewesen, wie und warum und wo sie berührt worden war. Von wem sie berührt worden war.
Jamie hatte sie nicht vergewaltigt. Sie war schon einmal vergewaltigt worden und wusste, wie das war. Es fühlte sich ganz anders an als Sex. Selbst der raueste, grausamste, heftigste Sex, selbst Sex mit Daniel war ganz anders als eine Vergewaltigung. Der Unterschied zwischen einer Vergewaltigung und Sex war so groß wie der Unterschied zwischen einem Überfall mit vorgehaltenem Messer und einer Wohltätigkeitsspende aus Überzeugung. Sarahs Vergewaltigung fühlte sich im Vergleich so an, als wäre sie von zwei Straßengangstern ausgeraubt und zusammengeschlagen worden, denen sie ihr Geld aus freien Stücken gegeben hätte, wenn sie freundlich gefragt hätten. Es wäre ihr nie eingefallen, diese zwei Saukerle als Sexpartner zu betrachten. Sie waren nichts anderes als bewaffnete Banditen.
Was ihr an der Sache mit Jamie so wehtat, war, dass er völlig kalt und kontrolliert gehandelt hatte, überhaupt nicht aus leidenschaftlichem Zorn. Sie hatte ihm in die Augen geblickt, und wo sie Freundschaft erwartete, sah sie nur Kälte; wo sie sich an Liebe erinnerte, gab es nur Bitterkeit. Ihr Körper war unwichtig; er hatte sie tief in ihrem Innersten getroffen, und das hatte ihr bisher noch niemand angetan. Konnte es eine schlimmere Verletzung geben als diese?
Sie wusste nicht mehr, wie lange sie schon so gegangen war. Weiter vorn kam eine Bushaltestelle, und sie setzte sich kurz, um auf die Straße zu starren und zu überlegen, was sie tun sollte. Ein Teil von ihr wollte zurück in Jamies Büro, um ihm ins Gesicht zu blicken und zu entdecken, dass sie ihm zu Unrecht Kälte und Grausamkeit unterstellt hatte. Ein anderer Teil von ihr wollte nur noch sterben.
Aber sie wollte nicht, dass Jamie starb, und deshalb konnte sie nicht nach Hause zu Daniel.
»Willst du irgendwohin?«
Sarahs verschwommener Blick drang nur mühsam durch den Regen. Aus einem Autofenster lehnte sich ein Mann.
Sarah schüttelte den Kopf. »Oder einfach nur ein Stück mitfahren?« Autotüren öffneten sich, schlossen sich. Zwei Männer, nein, drei, standen auf dem Weg.
»Nein«, sagte sie, doch dann wurde ihr klar, dass die Männer gar nicht auf sie hörten. Es war dunkel und nass, und sie hatte nichts mehr in sich als den Abscheu vor dem Berührtwerden. Doch das reichte: Sie rannte und rannte und rannte. Sie rannte weiter, obwohl sie schon längst sicher war, dass die Männer weggefahren waren, um sich ein leichteres Opfer zu suchen. Sie merkte, wenn sie nicht mehr lief, würde sie hinfallen, und sie wusste nicht, ob sie sich dann noch einmal hochrappeln konnte.
Drei Straßen weiter wohnten Jess und Mike. Sie hatten zwar nicht viel für sie übrig, aber wenn es ihr dreckig ging, würden sie ihr helfen. Wenn sie sie um ein Bett für die Nacht und um eine Dusche bat, um sich den Geruch von Jamies Bitterkeit abwaschen zu können, würden sie nicht begeistert sein, aber sie
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