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Zaehme mich

Zaehme mich

Titel: Zaehme mich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emily Maguire
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hätte, wäre sie vielleicht eingeknickt. Doch er tat es nicht.
    »Entschuldige mich bitte.« Er drängte sich an ihr vorbei, seine Beine verfingen sich in ihren, sein Unterleib hing vor ihrem Gesicht. »Ich muss Shelley nach Hause fahren.
    Bianca hat bestimmt schon Hunger.«
    »Okay. Seh ich dich bald?«
    »Ja, wie du willst.« Dann war er verschwunden.
    Sarah ging hinaus in die Hauptbar. Sie hatte vor, sich sinnlos zu betrinken. So sinnlos, dass ihr das alles nichts mehr ausmachte. So sinnlos, dass es ihr egal war, wen sie in ihre miese kleine Bude abschleppte. So sinnlos, dass sie ihr jämmerliches Dasein vergessen konnte.
    Der Bereich um die große Bar war brechend voll, und sie musste die Zigarette über dem Kopf halten, um nicht aus Versehen jemanden zu verbrennen. Doch auch das war riskant, weil sie selbst mit ausgestrecktem Arm vielen Leuten nur bis auf Höhe der Augen reichte. Aber die Mühe lohnte sich: Die Mischung aus Schweiß und Lärm und Zigarettenrauch war angenehm. Sie erinnerte sie daran, dass sie das Gedränge fremder, klebriger Körper mochte. Jamie würde es hassen. Er würde einen Asthmaanfall bekommen.
    »Also wirklich, Sarah«, sagte ihr eine Stimme direkt ins Ohr, »es ist äußerst rücksichtslos von dir, in dieser stickigen Luft auch noch zu rauchen.«
    Sarah kannte diese Stimme. Sie kannte sie, weil sie seit acht Jahren in ihrem Kopf widerhallte. Sie kannte sie, weil sie der Soundtrack zu ihrem Leben war. Sie klang wie das Rauschen von Blut in den Ohren. Nein, das war echt, das brausende Blut, der pochende Puls, das hämmernde Herz.
    All diese Geräusche waren real, doch unglaublicherweise war auch seine Stimme real.
    In dem Bruchteil einer Sekunde, den sie brauchte, um sich umzudrehen, wappnete sie sich für seinen Anblick.
    »Scheiße.« Ihre inneren Organe schmolzen, ihre Muskeln wurden zu Brei. Da stand er. Direkt vor ihr, so nah, dass sie ihn berühren konnte. »Gottverdammte Scheiße.«
    »Kein Grund zum Fluchen, Sarah. Warum rauchst du deinen dreckigen Sargnagel nicht draußen?« Er machte eine Kopfbewegung zur Tür.
    Sarah starrte ihn an. Seine Augen waren genauso, wie sie sie in Erinnerung hatte: so grün, dass Fremde Kontaktlinsen vermuteten; so wissend, dass sie sich erkannt, ertappt und nackt ausgezogen fühlte. Einmal hatte sie zu ihm gesagt: Deine Augen sind so grün, und er hatte erwidert: Nicht so grün wie dein Herz.
    »Komm schon, wach auf.« Er ging zur Tür, und sie folgte ihm, aber sie wusste nicht, ob sie wirklich aufgewacht war.
    Sie konnte kaum atmen.
    Am Fuß der Außentreppe blieb er stehen, und so hielt auch Sarah an. Sie wollte irgendeine brillante Bemerkung machen, doch ihr fiel nur ein, dass ihr Name aus seinem Mund geklungen hatte, als wäre er der erste Mensch, der ihn jemals laut gesagt hatte. Sie wollte zu diesem Moment zurückkehren, um noch einmal mit seiner Stimme zu hören: Also wirklich, Sarah.
    »Sieh mal an.« Er schüttelte den Kopf wie ein lang verschollener Verwandter, der sie zum letzten Mal gesehen hatte, als sie neunzig Zentimeter groß war. Er seufzte, lächelte, fuhr sich mit der Hand durchs Haar. »Die kleine Sarah Clark.«
    »Mr. Carr«, antwortete sie.
    Sein Lachen brachte kleine weiße Zähne zum Vorschein.
    »Wir sind doch nicht mehr in der Schule.«
    »Ach, wie blöd von mir.« Sarah klatschte sich die Hand auf die Stirn. Sie kam sich vor wie vierzehn.
    »Daniel, bitte. Und eigentlich auch nicht mehr Mr.
    sondern Dr.«
    »Uuuh, da bin aber beeindruckt, Dr. Carr.« Sarah schlug einen frotzelnden Ton an, um zu verbergen, wie sehr sie in Wirklichkeit von ihm beeindruckt war. Aber nicht von dem Titel. Alles an ihm beeindruckte sie, die Sprechweise, das Haar, die Haltung, die Augen, die Zähne, die Kleidung. Er war so unglaublich beeindruckend, dass sich Sarah fragte, wieso er seine Zeit mit ihr verschwendete.
    Wieso war er überhaupt hier?
    Wie früher schon las er ihre Gedanken. Er erzählte ihr, dass er vor ungefähr einem Jahr wieder nach Sydney gezogen war, dass er in Rosehill wohnte und dass er der Direktor einer Knabenschule in Parramatta war.
    »Ach du Scheiße!«, rief sie, und sie mussten beide lachen. »Ich dachte immer, Schuldirektoren sind ganz alt und faltig.«
    »Sind sie auch.«
    »Dann kannst du keiner sein. Du siehst viel zu gut aus dafür.«
    Er wurde rot, und einen flüchtigen Moment lang sah ihn Sarah, wie er früher gewesen war: rot im Gesicht, verschwitzt, gequält. Sie sah sich unter ihm.
    »Und du … ich hätte

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