Zaehme mich
Kuss gegeben – einen richtigen auf den Mund –, entschied sich aber lieber wieder für ein leichtes Schulterklopfen. »Lang genug. Er hat mich schon in Verdacht, dass ich einen geheimen Freund habe.«
Mit einem gequälten Lächeln hob Jamie den Blick.
»Und, ist es so?«
»Na ja, du bist doch mein Freund.«
»Ja, ich bin mit dir befreundet. Aber das ist nicht dasselbe wie ein Freund .«
»Bloß dass es bei uns so ist.« Sarah war selbst überrascht über ihre Worte und den Kloß, den sie plötzlich in der Kehle spürte.
»Oh.« Er lächelte, wurde rot, sah über ihre Schulter und dann wieder in ihre Augen, lächelte erneut und legte schließlich die Stirn in Falten. »Dann bin ich also dein Freund?«
»Nein. Auf keinen Fall. Weiß gar nicht, wie du auf diese Idee kommst.«
»Sarah!« Jamie boxte sie auf den Arm. Sarah boxte zurück und merkte, dass er sich zu ihr beugte. Es freute sie, dass er das machte, aber auch, dass er sich nicht damit aufhielt, sich weiter an ihren Arm zu drücken, sondern wieder zurückwich, sie anschaute und ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht strich.
»Ich verstehe nicht, was du mir da erzählst«, stellte er fest.
»Ich auch nicht.«
»Aber es gefällt mir.«
»Mir auch.« Der Kloß in ihrer Kehle wurde dicker. Sie wünschte Mike herbei, weil sie dringend noch einen Drink brauchte, aber sie wünschte sich auch, dass Mike nicht zurückkommen würde, weil … Mein Gott, das war es! Sie wünschte sich, Mike würde nicht zurückkommen, weil sie mit Jamie allein sein wollte. Auf einmal entdeckte sie an sich diese Schwäche für Jamie, diese ungewollt monogame Festlegung auf ihn. Nach neun Jahren, in denen sie ihm fast täglich begegnet war, hatte sie plötzlich Hunger auf mehr.
»Ich bin betrunken, weißt du«, stellte sie fest.
»Du bist nicht betrunken.«
»Doch. Ich bin hackedicht. Wenn ich so besoffen bin, rede ich irgendwelches Zeug daher, das solltest du dir gar nicht anhören.«
»Ich höre mir sowieso nicht an, was du daherredest. Ich benutze dich nur als Sexobjekt.«
Sarah war so überwältigt von seinem Lächeln, dass sie ihn am Kragen zu sich herzog und ihn auf den Mund küsste.
»Sarah!« Er riss sich los und schaute erst über seine und dann über Sarahs Schulter. Sein Blick kehrte zu ihrem Gesicht zurück. »Vorher bist du gerade Mike aufs Dach gestiegen, weil er das gemacht hat.«
»Ja, Scheiße. Stimmt. Tut mir Leid. Ich weiß auch nicht, was mit mir los ist.«
Er betrachtete sie mehrere Sekunden lang. Die zusammengekniffenen Augen betonten seine Tränensäcke und ließen ihn wie dreißig aussehen. »Es hat sich was geändert, oder? Zwischen uns?«
»Ich weiß nicht. Ich … Ja, ich glaube schon. Vielleicht.
Ich habe das Gefühl …« Sarah bemerkte, dass sich Mike mit den Getränken näherte. Seufzend beugte sie sich zu Jamie. »Wir reden später weiter. Versprochen.«
Mike setzte sich neben Sarah. Er stellte ein Tablett mit vier Gläsern Bourbon vor ihr ab und schob ihr prompt die Hand unter den Rock. »Los, runter mit dem Zeug.«
Sarah trank, redete mit Jamie über belanglose Dinge und ließ Mike in ihrer Unterwäsche herumfummeln. Sie erinnerte sich daran, dass ihr so etwas früher Spaß gemacht hatte, aber sie wusste nicht mehr warum. Mikes Finger war grob und zudringlich und ließ sich weder von ihrer mangelnden Erregung noch von Jamies Gegenwart stören. Was es wohl für ein Gefühl für Jamie war zu wissen, dass der Zeigefinger seines Freundes an ihren Schamlippen herumpulte? Ob ihm klar war, dass sie es eigentlich gar nicht wollte und nur nicht die Kraft aufbrachte, das Ganze zu beenden?
Irgendwann stießen Shelley und Jess zu ihnen. Sarah war froh, denn jetzt war Mike gezwungen, die Finger von ihr zu nehmen. Shelley erzählte von ihren Problemen beim Stillen. Sarah fand die Diskussion über aufgesprungene Brustwarzen und Entzündungen der Milchdrüsen abstoßend, doch Jamie tätschelte Shelleys Arm und sagte:
»Du machst das ganz toll, Shell.« Lächelnd lehnte sich Shelley über den Tisch und küsste ihn. Ein feuchter Kuss mit offenem Mund. Sarah war aufgefallen, wie groß Shelleys Brüste waren und wie hübsch sie aussah, nachdem sie den letzten Rest der Schwangerschaftspfunde verloren hatte.
Sie kam sich vor wie die Böse in einem Teeniefilm der achtziger Jahre. Die mit der tollen Frisur und der engen Bluse, die den Freund des netten Mädchens verführt, aber ihn am Ende doch nicht kriegt, weil sie seicht und billig ist und einem
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